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Politik: Das Paradies kann warten

Beim G-8-Gipfel auf Sea Island sieht sich Schröder noch einmal in seiner Anti-Kriegs-Haltung bestätigt

Als Vorspeise gibt es Austern. Dicke, große Austern. Man sitzt draußen auf einer Veranda, an deren Decke langsam und monoton die Ventilatoren summen. Der Blick schweift über einen penibel gepflegten Golfplatz. Es ist später Abend. Die Palmen am Horizont verschwinden in der Dämmerung. Das einzige Geräusch verursacht eine automatische Rasensprenganlage. Selbst der Korrespondent eines deutschen Wirtschaftsmagazins stellt die Frage, ob der Reichtum in der Welt gerecht verteilt sei. Das Paradies? Hier dürfen die deutschen Medienvertreter, die über den G-8-Gipfel berichten, mal eben dran schnuppern.

Nur wenige Kilometer ist die Insel St. Simons von Sea Island entfernt, dem abgeschiedenen und abgeschotteten Ort des Gipfels. Kurz nach 22 Uhr trifft Gerhard Schröder ein. Er ist wach, prächtig gelaunt, seine Gesichtszüge sind entspannt. Der Gipfel hat ihm gut getan. Im Salon, vor einem Kamin, setzt er sich in einen Sessel. Ihre Fragen, bitte.

Faktisch gibt’s nichts Neues. Dem Irak sollen seine Schulden erlassen werden. „Substanziell“ werde der Erlass sein, sagt der Kanzler. Präziser wird er nicht. Aber er stellt ein Junktim her: „Großzügig“ werde der Schuldenerlass nur dann ausfallen, wenn deutsche Unternehmen Wiederaufbauverträge für den Irak erhalten. Was noch? Die Nato soll weiterhin, vielleicht sogar verstärkt, irakische Sicherheitskräfte ausbilden. Sie darf die von den USA geführte Besatzungsmacht nicht ersetzen. Es werden keine deutschen Soldaten entsandt. Und? Die Ölpreise sind zu hoch. Aber gefährlich für die Weltwirtschaft ist das nicht. So weit, so bekannt. Die Ergebnisse des Gipfels standen schon vor dessen Beginn fest.

Interessanter ist daher Schröders Beschreibung der Atmosphäre. Selten hat der Kanzler pointierter über den Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen gesprochen. Die Geschichte der vergangenen anderthalb Jahre habe gezeigt, sagt der Kanzler, „dass wir mit der einzig verbliebenen Supermacht umgehen können“. Da schwingt Stolz mit. Ein „Stück außenpolitischer Emanzipation“ von den USA sei erreicht worden. Manch einer, der den Irakkrieg verteidigte, müsse sich heute fragen, „wie richtig er gelegen hat“.

Zwei Botschaften sendet der Kanzler aus. Erstens: Der von ihm angeführte Widerstand der Deutschen gegen die Politik der US-Regierung war berechtigt. Das zeigt die Entwicklung. Zweitens: Dem Ansehen und den Interessen Deutschlands hat das Aufbegehren nicht geschadet. Das zeigt das neuerliche Buhlen von Präsident George W. Bush um die Gunst Schröders. Rasch fügt der Kanzler freilich hinzu: „Mir geht es nicht um Rechthaberei, sondern um Perspektiven.“ Klar doch.

Im Irak ist den Amerikanern eine Lektion verpasst worden – und jetzt schon wieder, beim UN-Sicherheitsrat. Die neue Irakresolution, die am Dienstag einstimmig verabschiedet worden war, „enhält ein Maß an Bereitschaft der USA, das vor anderthalb Jahren unmöglich war“, freut sich Schröder. Wie von ihm – und anderen – verlangt, finde nun eine volle Souveränitätsübertragung statt, die Rolle der Vereinten Nationen sei aufgewertet worden. Also wieder ein Sieg für Deutschland.

Am Ende spottet gar ein Korrespondent über die neue Gemeinsamkeit zwischen Bush und Schröder, deren traute Strandspaziergänge am Atlantik. „Nun übertreiben Sie mal nicht“, lacht der Kanzler zurück, „wir waren am Strand mit allen anderen zusammen.“ Vor anderthalb Jahren wäre selbst das unmöglich gewesen. Der Westen hat sich wieder lieb.

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