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Politik: Das Parlament entscheidet

Von Richard Schröder

Jedes Mal, wenn der Nationale Ethikrat von sich reden macht – oder ins Gerede gebracht wird –, hört man, er sei doch gar nicht demokratisch legitimiert. Wenn das heißen sollte, seine Mitglieder seien nicht demokratisch gewählt, dann ist das einerseits richtig, denn der Bundeskanzler hat sie berufen, aber andererseits ganz normal. Berater werden immer berufen. Gewählt werden immer diejenigen, die für uns, die Wähler, zu entscheiden haben. Die haben dann auch zu entscheiden, von wem sie sich beraten lassen.

Das ist auch bei Enquetekommissionen des Bundestages, die Stellungnahmen zu komplizierten Fragen erarbeiten, nicht anders. Zur Hälfte bestehen sie aus Abgeordneten, zur Hälfte aus ebenfalls berufenen Fachleuten. Was dem einen Verfassungsorgan recht ist, ist dem anderen billig. Allerdings hat die Bundesregierung darauf verzichtet, auch selbst im Ethikrat präsent zu sein, was gewiss nicht dessen demokratische Legitimation beeinträchtigt!

Auctoritas, non veritas facit legem, hat Thomas Hobbes gesagt, das heißt Gesetze gelten nicht deshalb, weil sie wahr oder richtig sind, sondern weil sie erlassen worden sind. Von demjenigen, der dazu befugt ist. In der Demokratie ist die Legislative dazu befugt. Die Regierung oder das Parlament sind befugt, ihre Gesetzesentwürfe vorzulegen. Das Parlament entscheidet dann nach dem Mehrheitsprinzip. Dieses garantiert Gültigkeit, nicht aber unbedingt auch Richtigkeit oder Wahrheit.

Es ist der Vorzug des Mehrheitsprinzips, dass es gültige Entscheidungen ermöglicht, obwohl der Dissens in der Wahrheitsfrage fortbesteht. Abgestimmt werden muss, wenn man sich in der Wahrheitsfrage nicht einigen kann, und nicht etwa, nachdem man sich in der Wahrheitsfrage geeinigt hat, was ja tatsächlich selten genug vorkommt.

Wenn es um Sachfragen geht, spielen Mehrheitsverhältnisse zwar auch eine Rolle. Es gibt jeweils eine herrschende Meinung, sowohl in der Bevölkerung als auch unter den Fachleuten. Den Fortschritt im Wissen befördern aber in der Regel gerade diejenigen, die überzeugende neue Gesichtspunkte oder Erkenntnisse vorzubringen haben. Ein Proporz würde ein Beratungsgremium doch eher sterilisieren als demokratisch legitimieren. Die Mehrheitsverhältnisse in Meinungsfragen sind ja durch Meinungsumfragen leicht zu erheben, dazu braucht man aber kein Beratungsgremium.

Wer sich Berater sucht, wird diejenigen suchen, von denen er überzeugt ist, dass sie sich im fraglichen Sachgebiet besonders gut auskennen sowie ihre Gründe und Voraussetzungen verständlich darlegen können. Er wird sich auch entgegengesetzte Urteile anhören und die von anderen vorgetragenen Begründungen prüfen. Wie er dann entscheidet, ist seine Sache. Gründe müssen nicht demokratisch legitimiert, sondern vernünftig sein. Fragen kann man höchstens, ob ein Ethikrat nicht besser vom Bundespräsidenten berufen wird. Zumindest wenn er national heißen soll. Das wäre doch eine diskutable Neuerung.

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