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Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Donnerstag in Brüssel.

© Ludovic Marin/AFP

Das Problem von Präsident Macron: International ist er eine Lichtgestalt – in Frankreich droht er zu scheitern

Gestern München, heute Brüssel: Frankreichs Staatschef Macron präsentiert sich als Macher. Doch in Frankreich ist sein Ruf angekratzt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Noch am vergangenen Wochenende wurde Emmanuel Macron bei der Münchner Sicherheitskonferenz als europäische Lichtgestalt gefeiert. Auch beim EU-Gipfel, der an diesem Donnerstagnachmittag in Brüssel beginnt, will Frankreichs Staatschef sich für ein nicht zu schmales EU-Budget einsetzen. Doch zu Hause hat er mit gleich zwei Problemen zu kämpfen: Ein Sex-Skandal hat seinen Kandidaten für das Pariser Bürgermeisteramt außer Gefecht gesetzt. Und bei seinem wichtigsten innenpolitische Vorhaben – der Rentenreform – muss er um den Erfolg bangen. An diesem Donnerstag wird erneut mit Zehntausenden Demonstranten gerechnet, die auf den Straßen Frankreichs gegen die Reform protestieren.

Macrons EU-Partner, die gemeinsam mit dem Präsidenten ab heute in den Verhandlungsmarathon über Europas Finanzen gehen wollen, dürften die innenpolitischen Probleme Macrons genau zur Kenntnis nehmen. Denn schließlich hängt das internationale Standing von Politikern wie Macron oder Angela Merkel auch vom Zustand des Landes ab, an dessen Spitze sie stehen.

Anders als Merkel muss sich Macron stärker um seine eigene Partei kümmern

In gewisser Weise ähnelt Macrons Lage der von Merkel, die zusieht, wie eine innerparteiliche Führungsdebatte in der CDU auch ihre eigene internationale Autorität untergräbt. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Präsidenten und der Kanzlerin: Merkel hält sich nach ihren Worten aus der Frage ihrer Nachfolge bewusst heraus. Sie hat diesen Zustand selbst gewählt. Anders Macron: Er kann die Parteipolitik nicht schleifen lassen. Denn er will bei der Präsidentschaftswahl 2022 erneut antreten.

Kaum ein Thema erregt die Gemüter mehr als das Sexvideo von Benjamin Griveaux

Seit fast einer Woche debattiert Frankreich über kein anderes Thema so ausgiebig wie das Sexvideo, das dem Macron-Gefolgsmann Benjamin Griveaux zum Verhängnis wurde. Welche Folgen die Affäre für Macrons Regierungspartei „La République en Marche“ haben wird, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Macrons früherer Regierungssprecher Griveaux hat sich aus dem Rennen um das Pariser Bürgermeisteramt zurückgezogen, um angesichts des kompromittierenden Videos, das im Internet kursierte, seine Familie zu schützen, wie er sagte.

Nun ist man in Frankreich weniger zimperlich als etwa in den USA, wenn es um sexuelle Eskapaden von Politikern geht. Der frühere Präsident François Mitterrand brachte seine Zweitfamilie eigens in einer Wohnung auf Staatskosten unter. Als das Doppelleben des Staatschefs einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, zeigten die Franzosen Verständnis. In Fall von Griveaux ist indes eine Debatte darüber entbrannt, ob es demnächst Usus wird, dass Politiker über das Internet nach Belieben politisch zerstört werden oder ob sie sich in jeder Hinsicht vorbildlich verhalten müssen.

Der Angriff auf Griveaux erinnert an den Präsidentschaftswahlkampf 2017

Bemerkenswert ist die Affäre um den Rückzieher von Griveaux auch deshalb, weil er an die Angriffe gegen die Bewegung „En Marche“ kurz vor der Präsidentschaftswahl im Mai 2017 erinnert. Damals tauchten im Netz echte und gefälschte, kompromittierende E-mails von Macrons Wahlkampfteam auf. Mit der Aktion, deren Urheberschaft bis heute unklar ist, sollte offenbar ein Wahlsieg Macrons gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen verhindert werden. Im Fall von Griveaux weiß man hingegen, wer der Urheber ist: der russische Aktivist Pjotr Pawlenski, gegen den ebenso wie dessen Freundin Alexandra de Taddeo ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.

Auch wenn möglicherweise nie geklärt werden wird, ob tatsächlich, wie in einigen Medien vermutet wird, ein russisches Komplott nach dem Vorbild des „Kompromats“ aus Sowjetzeiten hinter dem Angriff auf Griveaux steckt, so ist der Schaden für Macron und seine Partei bereits entstanden. Zwar wurde Griveaux im Rennen um den Pariser Bürgermeisterposten eilends durch die bisherige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn ersetzt. Allerdings muss der Staatschef trotzdem damit rechnen, dass die Eroberung der Hauptstadt bei der Kommunalwahl im März misslingt.

Immer wieder kommt es in Frankreich zu Protesten gegen die Rentenreform.
Immer wieder kommt es in Frankreich zu Protesten gegen die Rentenreform.

© imago images/Hans Lucas

Angesichts der schlechten Umfragewerte für seine Partei in Paris ist es für Macron jetzt umso wichtiger, dass er an der zweiten innenpolitischen „Front“, der Rentenreform, im Frühsommer einen Erfolg erzielt. Bis zur Sommerpause strebt der Präsident eine endgültige Verabschiedung der Reform an, die unter anderem eine einheitliche Regelung für die Beschäftigten im Privatsektor und im öffentlichen Dienst zum Ziel hat. Die Streikbewegung, die sich die komplette Rücknahme der Reform zum Ziel gesetzt hat, ist inzwischen zwar deutlich abgeflaut. Entscheidend ist für Macron aber der Kampf um die Öffentlichkeit – und den droht er zu verlieren: Der Hausherr im Elysée-Palast hat es noch immer nicht geschafft, seit dem Beginn der Proteste im vergangenen Dezember eine Mehrheit seiner Landsleute von dem Projekt zu überzeugen.

Es ist Macron zu wünschen, dass seine Reform nicht scheitert

Dabei ist die Rentenreform sinnvoll – vor allem weil sie dem bisherigen Wildwuchs mit über 40 Spezialregelungen für Berufsgruppen wie etwa Lokführer ein Ende setzt. Die Erneuerung des Rentensystems, welche die öffentlichen Kassen entlasten soll, wäre ein wichtiger Baustein im Reformwerk des Präsidenten.

Dass Macron auf einem guten Weg ist, belegte jüngst das Statistikamt Insee. Nach Angaben der Behörde hat die Arbeitslosigkeit inzwischen den niedrigsten Stand seit 2008 erreicht. Es sind solche Erfolgsmeldungen, die der Präsident braucht, wenn er auch auf der nationalen Bühne als ernsthafter Macher auftreten will.

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