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Politik: Das Recht sind wir

Deutschlands Richter wollen keine Minister mehr über sich – und fordern auf dem Juristentag mehr Autonomie

Von Jost Müller-Neuhof

Es ist eine kleine Revolution, die die Richter da vorhaben. Niemand, der sein Geld beim Staat verdient, ist so frei wie sie. Doch die im Grundgesetz verbürgte Unabhängigkeit reicht ihnen nicht. Viele der mehr als 20 000 Richter im Land wollen sich von den Justizministerien nichts mehr sagen lassen. Bislang nur in Fachpublikationen diskutiert, gelangte ihr Wunsch nach mehr Autonomie am Donnerstag auf das „Aktuelle Forum“ und damit in den Mittelpunkt des 64. Deutschen Juristentages in Berlin.

Ginge es nach dem Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth, erhöben außer Abgeordneten und Mitgliedern von Regierung und Bundesrat bald noch ganz andere ihre Stimme im Parlament: die deutschen Richter. Mackenroth sieht die „Gewaltenteilung gegenüber der Justiz unterentwickelt“. Politisch beeinflusste Bundesrichterwahlen? „Ein Skandal.“ Und das Weisungsrecht der Länderjustizminister gegenüber den Staatsanwaltschaften will er lieber gleich ganz abschaffen.

Die selbstverwaltete Justiz hat Vorbilder. Unter anderem verfahren Italien, Frankreich, Spanien, Norwegen und Dänemark so, neuerdings auch Holland. Dort entscheiden Richterräte über Personal und Beförderungen, Disziplinarmaßnahmen und teilweise sogar über den Budgetvorschlag. Auch Mackenroth will den Justizetat von einem Richtergremium mit dem Finanzminister aushandeln lassen. Für „verfehlt“ hält das Thüringens Justizminister Andreas Birkmann, der beim Juristentag am deutlichsten gegen den Vorstoß des Richterbundes Stellung bezog. Kritik an Mackenroth kam auch von prominenten Kollegen. Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem, ehemals Justizsenator in Hamburg, fragte nach dem Missstand, den es denn überhaupt zu beseitigen gelte. Schließlich gehe die Politik äußerst verantwortungsvoll mit der Justiz um. Vielmehr sollten die Richter endlich damit beginnen, das, was sie jetzt schon verwalten und organisieren müssten, besser und effizienter zu erledigen. Dass die Richter über ihr Personal selbst bestimmen sollen, bereitet ihm sogar Sorgen, da dann verstärkt „Selbstergänzungen nach eigenem Ebenbild“ produziert würden. Die Justiz traue der Politik nicht, meint Hoffmann-Riem, das sei der größte Fehler. Allerdings: Andersherum scheint es ganz ähnlich zu sein. Auf ein weiteres Risiko der Selbstherrschaft machte jüngst der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin aufmerksam: Die Richter würden zum politischen Faktor. Und das waren sie bislang noch nicht. Jedenfalls bis gestern nicht.

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