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Flüchtlinge in Niger, die nach Europa weiterreisen wollen.

© dpa

Das schmutzige Geschäft mit Flüchtlingen: Auch Menschenhändler betreiben Marketing

Die Internationale Organisation für Migration hat analysiert, wie kriminelle Banden mit dem Leid von Flüchtlingen aus Afrika und Nahost Geld machen. Die Schlepper werben etwa auf Facebook für ihre Dienste.

Auch Menschenhändler betreiben Marketing. Und sie ziehen dabei alle medialen Register. So gibt es Facebook Seiten, auf denen Schleuser Flüchtlingen aus Afrika oder dem Nahen Osten ganz offen ihre Dienste anbieten. Manche posten auch Fotos, die belegen sollen, dass sie ihre „Kunden“ sicher nach Europa transportieren. Die Seiten werden offenbar rege genutzt. Einige erhalten bis zu 50.000 Likes pro Tag. Das berichtet die Internationale Organisation für Migration (IOM) in ihrem neuesten Bericht „Migrationstrends über das Mittelmeer“. Darin werden die aktuellen Fluchtrouten und das Geschäft der Schleuser analysiert.

Libyen ist Hauptstützpunkt der Schleuser-Mafia

Deren Hauptstützpunkt in Nordafrika ist nach wie vor Libyen. In dem Bürgerkriegsland können sie ungehindert operieren, denn die öffentliche Ordnung ist praktisch zusammengebrochen. Rund 80 Prozent aller Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien gelangen, starten von der libyschen Küste – viele in untauglichen und überfüllten Booten. Die EU will zwar gegen den Menschenhandel vorgehen, doch bisher beschränken sich ihre Maßnahmen auf die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot und die militärische Aufklärung der libyschen Küste.

Lockangebote in den Nachbarländern

Die Schleuser haben sogar Verbindungsmänner in Marokko oder Tunesien, die dort gestrandete Flüchtlinge aus Afrika nach Libyen locken. Die vermeintlichen Vorzüge: Die Gefahr, von Grenzschützern aufgegriffen zu werden, ist in Libyen gering, außerdem ist die Überfahrt deutlich billiger. Nach Angaben der IOM kostet ein Platz auf einem Boot von Marokko nach Spanien 1300 Euro, die Überfahrt von Libyen nach Italien durchschnittlich nur 500 Euro. „Die instabile Lage in Libyen macht eine erfolgreiche Überquerung des Meeres von Libyen aus im Vergleich zu Reisen von Marokko nach Spanien deutlich einfacher“, heißt es in dem Bericht.

Rundumservice für Flüchtlinge

Schleuser haben demnach auch Zugang zu Flüchtlingen, die von den libyschen Behörden oder einer der Bürgerkriegsmilizen aufgegriffen wurden. Wer genug Geld hat, kann sich mit ihrer Hilfe aus der Haft freikaufen und doch noch nach Europa weiterreisen. Vor allem Syrern, die meist finanziell besser gestellt sind als Flüchtlinge aus Afrika, bieten die Schleuser Rundumservicepakete für eine Flucht bis an den gewünschten Zielort an. Mittelsleute in Italien organisieren dann beispielsweise die Weiterreise nach Deutschland. Gegen Aufpreis gibt es außerdem Schwimmwesten und Plätze an Deck. Afrikaner reisen dagegen eher unter Deck, wo sie bei einer Havarie nur geringe Überlebenschancen haben. „Es gibt Berichte, wonach Mittelschicht-Syrer bis zu 2000 Euro für einen Platz in einem Boot nach Europa zahlen“, heißt es. Für eine Überfahrt mit 450 Passagieren kassierten die Schleuser bis zu eine Million Euro.

Wer mehr zahlt, reist sicherer

Das von der IOM beschriebene Szenario zeigt eines sehr deutlich: Es gibt unter Flüchtlingen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Während Syrer teilweise per Flugzeug zunächst nach Ägypten fliehen und von dort aus über Land die relativ kurze Weiterreise nach Libyen antreten, sind Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten oft monatelang unterwegs und reisen unter widrigsten Bedingungen. Weil sie nur selten das Geld für die gesamte Reise aufbringen können, müssen sie Zwischenstopps einlegen und versuchen, Geld für die nächste Etappe zu verdienen. Hauptdrehscheiben sind dabei Agadez in Niger und Gao in Mali. Hier sitzen auch Schleuser, die den Weitertransport organisieren.

Frauen sind schutzlos

Die Flüchtlinge sind ihren Arbeitgebern allerdings schutzlos ausgeliefert. Oft werden sie  nicht bezahlt und  vertrieben, wenn sie ihren Lohn einfordern. Besonders prekär ist die Situation für Frauen. Die Schleuser verlangen von ihnen zwar meist weniger Geld, fordern gleichzeitig aber nicht selten Kompensationen in Form sexueller Gefälligkeiten. Viele Frauen werden in die nigrische Bergbaustadt Arlit verschleppt, durch die  eine der Hauptpisten durch die Sahara verläuft, und dort zumindest zeitweise zur Prostitution gezwungen. Auch in Algerien oder Marokko gibt es laut IOM afrikanische Zwangsprostituierte. Mehr als die Hälfte der Frauen, die Marokko erreiche, seien alleinerziehende Mütter. „Es wird angenommen, dass die meisten unterwegs schwanger wurden, wahrscheinlich im Zusammenhang mit einem Missbrauch“, heißt es in der Studie.

Zwangsprostituierte für Europa

Vermerkt wird auch, dass immer mehr Frauen, vor allem aus Nigeria und neuerdings auch aus Kamerun, schon in ihren Heimatländern verschleppt werden, um sie in Europa in die Prostitution zu zwingen. Die IOM spricht von einem Anstieg von 300 Prozent des Frauenhandels zwischen Afrika und Europa im vergangenen Jahr. Den Frauen werde entweder eine Arbeit als Haushaltshilfe versprochen, oder die Entführer drohten ihnen, dass ihrer Familie ein Unglück widerfahre, wenn sie sich widersetzten.

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