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Politik: Das sind Welten

Von Stephan-Andreas Casdorff

Und dann sind da jetzt diese Bilder aus der Kamera eines Touristen, keine von der Flut, die einen Tsunami zeigen, wie er alles hinwegfegt, Menschen Leben nimmt. Sondern wie die Welle sich aufbauscht, immer höher, und anrollt. Wie daraufhin alle erstarren, das zu Sehende die Erkenntnis lähmt, Zeit verrinnt, Leben spendende Sekunden. Eine Idylle, und zunächst fern, dann näher, schließlich: das Unglück. Ja, so kommt es uns nahe.

Die Zerstörung dauerte Sekunden, der Wiederaufbau wird Jahre benötigen. Das ist das Stichwort für die Hilfe der Bundesregierung: Wiederaufbau. Wenn ein guter Politiker zu sein auch bedeutet, das Ausmaß dessen möglichst schnell zu erfassen, was geleistet werden muss, und es anzupacken – dann hat diese Regierung gute Politiker. Es geht nicht nur ums Mitleiden, das demonstrative, das vermeintlich immer gut wirkt in Wahlkampfzeiten, es geht ums Erkennen der Dimension eines Problems und um die Hierarchie des Handelns. So karg, so nüchtern muss es zugehen in besonders verworrenen Situationen: Beurteilung der Lage, Zielsetzung, Entschluss. Gerhard Schröder und Joschka Fischer sind mindestens Gesellen darin. Ihre europäischen Kollegen waren in der Oper, im Urlaub, sonstwo – sie waren da, und das DaSein beschränkt sich nicht auf physische Präsenz. Es gibt Zeiten, da wird die Begrenztheit eines Politikers ohne Prinzipien offenbar. In diesen Zeiten können aber umgekehrt auch Politiker zu Staatsmännern werden. Wenn sie das Zeug dazu haben. Konrad Adenauer zeigte beim Wiederaufbau vor 60 Jahren, was in ihm steckt, Helmut Kohl bei der Wiedervereinigung, Helmut Schmidt schon bei der Sturmflut in Hamburg.

Deutschland steht jetzt an der Spitze der Spenderstaaten, noch vor den USA. Das ist ein Signal in mehrerlei Richtung. Einmal nach innen: Seht her, soll es sagen, wir entsprechen mit dem staatlichen dem herausragenden privaten Spenderverhalten. Zum zweiten nach außen: Seht her, weil wir Deutsche Weltmeister im Wiederaufbau sind, weil wir wissen, was weltweite Solidarität bedeutet, wissen wir auch, was wir jetzt zu tun haben. Nicht nur mit Geld, aber nicht zuletzt, weil es uns heute im Vergleich gut geht. Und drittens das Signal an die Großen der internationalen Politik, besonders die USA: Seht her, was wir tun, denen ihr einmal die Partnerschaft in der Führung der westlichen Welt angeboten habt.

Die Deutschen verhalten sich danach, die Bürger und ihr Staat. Die Idee, dass Gruppen von Staaten sich zusammentun sollten, um Regionen in Asien zu helfen, stammt von Bill Clinton. Die Idee, dass Städte Städten helfen sollten und Dörfer Dörfern, stammt von Schröder. So wird eines ins andere greifen, und das kann zu etwas Sichtbarem, Handfesten führen. Auf diese Weise erwirbt sich in der Welt Respekt, wer – ja, und das ist auch ein Ziel –, ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat werden will. Da ist Asien dann erst recht ein Nachbar. Und wer so hilft, der erwirbt sich dann auch das Anrecht auf Mitsprache. Vielleicht, wenn es demnächst darum geht, den Posten an der Spitze der Weltbank zu besetzen, die für solche Hilfe gedacht ist.

Helmut Schmidt hat den römischen Staatsmann Marc Aurel als seinen ersten „Hausapotheker“ bezeichnet. Von dem stammt: „Lass dich das Zukünftige nicht anfechten. Du wirst, wenn es nötig ist, schon hinkommen, getragen von derselben Geisteskraft, die dich das Gegenwärtige beherrschen lässt.“ Es sieht fast so aus, als handle Schröder danach. Sogar Schmidt könnte mit ihm zufrieden sein.

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