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Politik: Das wäre gut so

Von Hermann Rudolph

Weshalb soll er sich das antun? Kann man ihm überhaupt zuraten? Längst ist das Schauspiel ein Ärgernis, das um eine mögliche Kandidatur von Klaus Töpfer für das Amt des Regierenden Bürgermeisters bei den Abgeordnetenhaus-Wahlen im nächsten September stattfindet. Das klandestine Drängen unter dem Druck nachfolgender Veröffentlichungen, mit dem ihm die Berliner CDU zusetzt, ist fast nur noch peinlich. Dabei kann es bei dieser Frage doch nicht um politische Nothelferdienste gehen, sondern nur darum, ob auf Töpfer in Berlin eine Aufgabe wartet, die ihm angemessen ist. Und ob er eine echte Chance hat.

Was Letzteres angeht, so legt der Rang, den die Berliner CDU in der Öffentlichkeit einnimmt – eben erst grell beleuchtet durch ihren Sturz unter die 20-Prozent-Umfragemarke –, nahe, alle Hoffnungen fahren zu lassen. Aber war nicht auch die SPD tief unten, bevor Klaus Wowereit sie an die Macht manövrierte? Alle Parteien, zumal in Großstädten, sind heute extremen Schwankungen in der Wählergunst unterworfen. Sie alle hängen von der popularisierenden Kraft einzelner Führungsgestalten ab. Erwägt man, was die Berliner SPD ohne Wowereit wäre, so gewinnt man eine Vorstellung für das, was die Berliner CDU, vielleicht, mit Töpfer sein könnte.

Dass die Berliner CDU sich nicht selbst aus der Misere ziehen kann, in die sie nach der Politikwende vor vier Jahren geraten ist, hat die Causa Steffel gezeigt, und die Ära Diepgen ist kein Beweis dagegen. Erstens waren kommunal ausgerichtete Parteien damals noch nicht so weit aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten wie heute, und zweitens entringt sich der Brust geplagter CDU-Sympathisanten doch eher der Sehnsuchtsruf nach einem neuen Weizsäcker, der wie einst das Tor zur Macht aufstoßen soll. Andererseits hat die Hauptstadtrolle die bürgerliche Durchmischung Berlins gestärkt. Die Ver-Bundesrepublikanisierung der Stadt schreitet voran. Nur dass die, die in die Stadt strömen, die jungen Aufsteiger, die Zuarbeiter der Politik, die Verbands-Repräsentanten und selbst die stadtluftbegierigen Ruheständler nicht auf das kleinkarierte Gehabe der CDU ansprechen. Aber hier ist ein Potenzial, das zu aktivieren ist.

Wäre Töpfer der Mann dafür? Weil der Mann, der seit Jahren als UN-Umweltdirektor quer über den Globus jettet, etwas von Entwicklungshilfe versteht? Lassen wir die Witze. Weltläufig, fantasievoll, durchsetzungsfähig ist Klaus Töpfer jedenfalls. Das hat er auch in seinen zehn Ministerjahren im Kabinett Kohl bewiesen. Da war der Experte für Raum- und Landesplanung, der er von Haus aus ist, immer einer der politisch interessantesten Köpfe. Vor allem aber war er es, der den Hauptstadtumzug aus der Sackgasse herausbrachte, in die dieser Mitte der neunziger Jahre zu geraten drohte. „Der Hauptstadtmacher“ wurde er damals genannt. Es ist die einfache Wahrheit, dass Berlin heute nicht dort wäre, wo es ist, wenn nicht Klaus Töpfer gewesen wäre.

Aber jeder weiß auch, dass die Stadt in der Bundesrepublik noch nicht wirklich angekommen ist, dass beider Verhältnis jedenfalls gewöhnungs- und verbesserungsbedürftig ist. Es kann auch keine Frage sein, dass die Stadt gegenwärtig politisch eine dürftige Rolle spielt. Es gibt zu denken, dass Berlin noch nie so schlecht repräsentiert war wie in der Berliner Republik: Das neue Kabinett kommt ohne Berliner aus, die Parteivorstände fast, und auch im Bundestag sitzen die Hauptstadt-Abgeordneten nicht gerade in der ersten Reihe. Klaus Wowereit, immerhin, hat es geschafft, dass die Hauptstadt ins Grundgesetz kommt. Aber das ist nur der verfassungsrechtliche Eckstein für die notwendige Anstrengung, den Hauptstadtprozess weiter voranzutreiben. Töpfer hätte das Format, hier die Dinge weiterzubringen.

Kommt er oder kommt er nicht? Man muss diese politische Gretchenfrage gar nicht parteipolitisch traktieren. Es tut keinem Gemeinwesen gut, wenn die politischen Kräfteverhältnisse aus dem Gleichgewicht geraten. Vielleicht nicht die CDU, zu der auch vielen ihrer Anhänger nichts mehr einfällt – aber Berlin hätte Klaus Töpfer verdient.

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