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Politik: „Das Wort Verfassung kann Furcht auslösen“

Wie Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gemeinsam mit Spanien den deutschen EU-Vorsitz unterstützen will

Herr Minister, am 1. Januar beginnt der deutsche EU-Vorsitz. Wenn die Präsidentschaft Ende Juni zu Ende geht, wird sie vor allem daran gemessen werden, ob die europäische Verfassung wiederbelebt wurde. Der Verfassungsprozess ist ausgesetzt, seit der Vertragstext in Frankreich und in den Niederlanden abgelehnt wurde. Wie sehen Sie die Chancen, die Verfassung wieder aufs Gleis zu setzen?

Man sollte vielleicht nicht von Wiederbelebung sprechen, weil zu keinem Zeitpunkt in den letzten 18 Monaten, nach der Ablehnung in den Niederlanden und in Frankreich, die Politiker im EU-Ministerrat den Verfassungstext für abgeschrieben erklärt haben.

Sie sprechen für ein Land, dessen Bevölkerung die Verfassung in einem Referendum gebilligt hat. Trotz der Zustimmung in Luxemburg und in anderen Ländern kommt die Aufgabe für den deutschen EU-Vorsitz aber der Quadratur des Kreises gleich.

Der Weg wird noch lang sein, aber unser allgemeines Ziel muss sein, einen neuen Vertrag bis 2009, dem Jahr der nächsten Europawahlen, ratifiziert zu haben. Wichtig wird am Ende sein, möglichst viel von der Substanz des vorgelegten Textes zu bewahren.

Wie in Luxemburg ist die EU-Verfassung auch in Spanien per Volksabstimmung angenommen worden. Im neuen Jahr wollen Luxemburg und Spanien alle diejenigen EU-Staaten nach Madrid einladen, die die Verfassung bereits ratifiziert haben. Was bezwecken Sie mit diesem Treffen?

Die spanisch-luxemburgische Initiative besteht zunächst einmal darin, die Länder, die den Text ratifiziert haben, das heißt 18 von 27 Ländern, Ende Januar zu einem informellen Meinungsaustausch über die gegenwärtige Lage beim EU-Verfassungsvertrag einzuladen. Diese Länder stellen 60 Prozent der Bevölkerung in Europa dar. Die Stimme der Länder, die Ja gesagt haben, sollte zu hören sein – nicht um eine Blockbildung gegen die neun anderen Staaten aufzubauen, also auch nicht gegen Frankreich und die Niederlande. Der Sinn der Initiative liegt vielmehr darin, diesen neun Staaten einen Motivationsschub zu geben, sich in Richtung eines EU-Basisvertrags zu bewegen.

Sie sprechen von „Basisvertrag“. Heißt das, dass die EU nicht an der Bezeichnung „Verfassung“ festhalten sollte?

Das Wort „Verfassung“ kann wieder die Furcht vor der Einmischung Europas in die konstitutionellen Angelegenheiten der Nationalstaaten heraufbeschwören.

Zu der spanisch-luxemburgischen Initiative gehört auch die Idee eines zweiten EU-Treffens Ende Februar. Was erwarten Sie sich davon?

Ein mögliches zweites Treffen, welches noch nicht definitiv festgelegt ist, ist in Luxemburg vorgesehen. Dazu sollen alle Länder eingeladen werden, alle sollen teilnehmen können.

Also alle 27 EU-Länder?

Ja. Es soll die Gelegenheit sein, offen und informell einen Dialog zu führen. Es wäre übertrieben zu glauben, dass zu dem Zeitpunkt konkrete gemeinsame Schlussfolgerungen gezogen werden können.

Ist es nicht zu früh, die in Madrid und Luxemburg geplanten Treffen schon im Januar und Februar abzuhalten? Da ist der französische Präsidentschaftswahlkampf doch in vollem Gange.

Diese Treffen können bestenfalls ein Signal sein für die Schaffung einer Dynamik, die der deutschen Ratspräsidentschaft helfen soll. Deshalb wird es auch sinnlos sein, im Februar Zwischenbilanzen zu ziehen. Die Zeit bis Juni muss einfach gut genutzt werden. Wir sind der Meinung, dass die Länder, die den Text bereits ratifiziert haben, ein besonderes Interesse daran haben, der deutschen Ratspräsidentschaft behilflich zu sein, dass sie im Juni dem Europäischen Rat erfolgreich Vorschläge machen kann, wie es weitergehen kann.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

Jean Asselborn

ist seit Juli 2004

Luxemburgs Außenminister. Zuvor war seine Sozialistische Arbeiterpartei bei den Wahlen zweitstärkste Kraft im Abgeordnetenhaus geworden.

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