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Der ausgebrannte Bus in Belfast.

© David Young, dpa

Das zweite Mal in einer Woche: Erneut Bus in Nordirland angezündet

Mit den Brandschlägen brechen in Nordirland alte Konflikte wieder auf. Hintergrund ist offenbarF ein Streit Londons mit der EU.

Es ist der zweite Überfall in einer Woche und er zeigt, wie gespannt die Lage in Nordirland wieder ist. Maskierte Männer kaperten am Sonntag im nordirischen Newtownabbey einen Doppeldecker- Bus. Die vier Täter befahlen den Passagieren und dem Fahrer auszusteigen, anschließend steckten sie das Fahrzeug in Brand und verschwanden.

Die Polizei tappt in beiden Fällen offiziell im Dunklen. Man ermittle in alle Richtungen, heißt es lapidar. Allerdings deuten alle Anzeichen darauf hin, dass es sich bei den Tätern um protestantische Loyalisten, also Anhänger Londons, handelt. Kriminelle der gleichen Gesinnung waren schon zu Ostern an schweren Krawallen in der Hauptstadt Belfast beteiligt, bei denen ein Doppeldecker in Flammen aufging.

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Während des blutigen Bürgerkriegs mit mehr als 3000 Toten hatten sich Loyalisten in der Terrortruppe UVF zusammengetan. Ein früherer UVF-Kommandeur, Billy Hutchinson, führt jetzt die kleine Partei PUP. Gegenüber der in Dublin erscheinenden „Irish Times“ pochte der 66-Jährige auf die "absolute Gewaltfreiheit" seiner Partei, sprach aber davon, das „unerträgliche und schädliche“ Protokoll müsse verschwinden.

Festgefahrene Positionen im "Wurstkrieg"

Gemeint ist das so genannte Nordirland-Protokoll, das London und Brüssel beim Austritt Großbritanniens aus der EU ausgehandelt hatten. Seit Monaten schürt London den Streit. Es wird erwartet, dass die konservative Regierung von Boris Johnson die Vereinbarung mit der EU suspendieren wird. Die Europäische Union wiederum droht mit Sanktionen. Eigentlich sollte die kaum noch vorhandene Landgrenze zur Republik Irland im Süden offen bleiben, bei gleichzeitiger Wahrung der territorialen Integrität des Königreiches. Weil die konservative Regierung von Premierminister Boris Johnson einen harten Bruch mit Binnenmarkt und Zollunion herbeiführte, Brüssel aber auf die Integrität des Binnenmarktes pocht, wurden zwischen Nordirland und der britischen Hauptinsel Zoll- und Einfuhrkontrollen fällig. Neben anderen frischen Lebensmittel geht es dabei vor allem um Fleischprodukte, was Londoner Zeitungen begeistert zum Anlass nahmen, den „Wurstkrieg“ mit Brüssel auszurufen.

Man dürfe nicht naiv sein, sagt Irlands Außenminister Simon Coveney. Die Brexit-Regierung sei dazu entschlossen, das Protokoll aufzukündigen. Von britischer Seite habe es "keinerlei Bewegung" der festgefahrenen Verhandlungsposition gegeben, klagte EU-Vizekommissionschef Maros Sefcovic nach der jüngsten Gesprächsrunde am vergangenen Freitag. Der britische Brexit-Unterhändler David Frost gab sich ungerührt.

Freilich klafft die Einschätzung der Lage vor Ort so stark auseinander wie seit vielen Jahren nicht mehr. Die protestantisch-unionistischen Parteien, angeführt von der schwer angeschlagenen DUP, haben sich vereint unter dem Slogan „Das Protokoll muß weg!“ Dass dies automatisch Kontrollen an der irischen Landgrenze zur Folge hätte, nehmen sie in Kauf – ein Unding für die nationalistisch-katholischen Parteien, denen der Zusammenhalt mit dem Rest der eigenen Insel über die Staatsgrenze hinweg wichtiger ist als die Verbindung mit Großbritannien. Die konfessionsübergreifende Allianz-Partei setzt unverdrossen auf eine pragmatische Weiterentwicklung der Bestimmungen im Protokoll.

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