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Arzneimittelgeschäft. Im Ministerium von Daniel Bahr (FDP) wurden Daten ausspioniert.

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Daten-Spionage im Ministerium: Fehler im System

Jahrelang soll ein Computerspezialist im Gesundheitsministerium Daten und Gesetzesvorlagen ausspioniert haben. Das wirft die Frage auf, wie externe Mitarbeiter überhaupt an Informationen aus Ministerien gelangen.

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Berlin - Lobbyisten mögen das Gesundheitsministerium. Schon Ende 2006 hatte ein Angestellter der Krankenkasse DAK, den sich die Behörde „ausgeliehen“ hatte, vertrauliche Dokumente zur geplanten Gesundheitsreform kopiert und an seinen Arbeitgeber weitergeleitet. Nun wurde der nächste Spionagefall öffentlich: Jahrelang soll ein Computerspezialist einer Tochter des schwäbischen IT-Dienstleisters Bechtle im Gesundheitsministerium Daten und Gesetzesentwürfe ausspioniert und die Informationen an einen Lobbyisten der Apothekerschaft verkauft haben. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen.

Dass Kassenmitarbeiter im Ministerium eingesetzt werden, sei üblich und habe sich im Ganzen auch bewährt, betont der frühere Ministeriumssprecher Klaus Vater, der den Spionagefall 2006 publik machte. Das Ministerium sei leider nicht so ausgestattet, dass es dort für jede Spezialfrage die nötige Kompetenz gebe. Der externe Mitarbeiter habe damals eine Verpflichtungserklärung unterschreiben müssen, alle Interna vertraulich zu behandeln. Die DAK verteidigte ihr Vorgehen damals mit der Bemerkung, dass eine „Rückkopplung“ mit den Kassen „zum normalen Geschäft“ gehöre und politisch gewollt sei. Das Ministerium bestritt dies energisch – und setzte den DAK-Mann vor die Tür.

Dennoch nutzt das Ministerium weiter das Fachwissen von Kassenmitarbeitern. Derzeit hat es fünf davon in seinen Diensten – eine AOK-Beschäftigte, zwei Knappschafts-Mitarbeiter sowie zwei Entsandte des GKV-Spitzenverbandes. Ihr Einsatz ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Das Problem dabei ist die Transparenz. In der Auflistung des Innenministeriums über externe Mitarbeiter der Bundesverwaltung fehlen sie, da die Kassen als Körperschaften öffentlichen Rechts firmieren. Dass sie dennoch eigene Interessen verfolgen und sich daher Interna zunutze machen könnten, scheint die Politik trotz aller negativen Erfahrung wenig zu tangieren. Nach dem Verzeichnis des Innenministeriums waren im ersten Halbjahr 2012 in der Bundesverwaltung 69 externe Mitarbeiter beschäftigt – entliehen etwa vom Goethe-Institut, dem Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Im Gesundheitsministerium kümmert sich derzeit eine Entsandte des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge mit um die Pflegereform.

Nach dem aktuellen Eklat forderte SPD- Experte Karl Lauterbach, alle Gesundheitsgesetze der jüngsten Zeit zu prüfen. „Es muss abgeglichen werden, welchen Einfluss die gestohlenen Daten auf die Gesetzgebung hatten“, sagte er dem Tagesspiegel. Biggi Bender (Grüne) hält davon nichts. „Die Gesetze sind vom Bundestag verabschiedet. Ich habe in den Anhörungen immer Punkte benannt, wo die Apothekerlobby begünstigt wurde.“ Auch das Ministerium verweist aufs Gesetzgebungsverfahren. „Änderungen werden von den Fraktionen in die Ausschüsse gebracht. Insofern ist ein Gesetzgebungsverfahren transparent“, so eine Sprecherin. 

Der Computerspezialist, der die Daten gegen Bezahlung ausgespäht haben soll, wurde inzwischen freigestellt. Eine Stellungnahme vom Bundesamt für Sicherheit zum aktuellen Fall gibt es nicht. Ein IT-Experte sagte jedoch, dass „das beste Sicherheitssystem nichts nützt, wenn jemand dafür den Schlüssel hat“. Das IT-Unternehmen Bechtle hat einen Rahmenvertrag mit der Bundesregierung. Alle Ministerien könnten auf die Dienstleistung zurückgreifen, so eine Firmensprecherin. Bechtle und seine Tochterunternehmen sind auch für weitere Bundesministerien zuständig. Der IT-Dienstleister Bechtle sei bis Oktober 2010 für das Wirtschaftsministerium tätig gewesen, teilte die Behörde auf Anfrage mit.

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