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Testkits sind in einigen Bundesländern schon Mangelware. Ein Grund, warum die Fallzahlen nicht reliabel sein müssen.

© Sina Schuldt/dpa

Datenlage „nicht belastbar“: Deshalb folgen auf hohe Inzidenzen unsichere Zahlen

Die extrem hohen Corona-Fallzahlen sorgen für eine Überlastung des Test- und Meldesystems. Allerdings könnten auch die Maßnahmen erste Wirkung zeigen.

Vom Spitzenwert 452 auf 442 an diesem Freitag – die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Neuinfektionen in Deutschland sinkt laut RKI. Auch der Anstieg der täglichen Fallzahlen scheint gebremst. Laut Zahlen, die der Tagesspiegel zusammenstellt, lag der Spitzenwert der täglichen Neuinfektionen in dieser Woche bei 72.072 Neuinfektionen - vergangene Woche wurden 72.318 Fälle registriert. Doch so recht freuen will sich darüber niemand.

Denn was angesichts der teils dramatischen Lage in den Krankenhäusern paradox klingt, könnte einen einfachen Grund haben: Es ist anzunehmen, dass die aktuell stagnierenden und teilweise sinkenden Corona-Kennzahlen eine Konsequenz aus der Überlastung des Gesundheits- und Meldesystems sind.

Besonders angespannt ist die Situation in Sachsen, das Bundesland mit der höchsten Fallzahl pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen: fast 1500 beträgt die Inzidenz. Das dortige Sozialministerium bestätigte dem Tagesspiegel am Donnerstag, dass es durch eine Überlastung der Testlabore zu „Zeitverzögerungen bei der Bearbeitung der PCR-Tests komme“. Speziell der ostsächsische Bereich sei maximal belastet. Tagesaktuell könnten derzeit lediglich Krankenhauslabore arbeiten.

Dieses Problem gibt es auch in Bayern, wo es Engpässe bei den Test-Kits gebe, berichtet Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der Münchener Klinik Schwabing im „Spiegel“. „Mich haben sogar schon niedergelassene Kollegen angerufen und gefragt, ob ich wüsste, wo sie jetzt noch Antigen-Tests und PCR-Testkits herkriegen könnten. In so einer Situation werden automatisch weniger Menschen getestet, das heißt, die Dunkelziffer steigt.“

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Dass die Laborkapazitäten ausgeschöpft seien, habe dabei nicht nur eine verlängerte Befunddauer zur Folge, teilt das Sozialministerium Sachsen mit. Auch sei nicht auszuschließen, dass die begrenzten Testkapazitäten dazu führen, dass die Inzidenz stagniert. Sprich: Die Zahlen stagnieren, weil nicht genügend Tests vorhanden sind.

Gesundheitsämter in Sachsen überlastet

Auch die sächsischen Gesundheitsämter seien überlastet und könnten nicht immer tagesaktuell an das Robert Koch-Institut (RKI) melden, teilt das Sozialministerium mit. Der überwiegende Teil der Ämter sei zwar mittlerweile durch auswärtige personelle Unterstützung in der Lage, neu hinzukommende Fälle aktuell ins System einzugeben.

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Welchen Impfstatus die positiv getestete Person hat oder ob sie hospitalisiert werden musste – diese Meldungen erfolgten allerdings sehr zeitversetzt. Die Datenlage sei in diesem Zusammenhang daher „nicht belastbar“, heißt es aus dem Ministerium.

Auch das RKI selbst weist darauf hin und schreibt in seinem jüngsten Wochenbericht: "Der starke Anstieg der 7-Tage-Inzidenz in den letzten Wochen hat sich in der vergangenen Woche nicht fortgesetzt. Dies kann einerseits ein erster Hinweis auf eine sich leicht abschwächende Dynamik im Transmissionsgeschehen aufgrund der deutlich intensivierten Maßnahmen zur Kontaktreduzierung sein. Es könnte aber regional auch auf die zunehmend überlasteten Kapazitäten im Öffentlichen Gesundheitsdienst und die erschöpften Laborkapazitäten zurückzuführen sein."

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Doch nicht nur die Meldungen an das RKI sind eingeschränkt, sondern auch die Kontaktnachverfolgung und das Anordnen von Quarantäne. So berichtet der MDR, dass das Gesundheitsamt in Dresden Telefonanrufe bei positiv auf Corona getestete Personen ab sofort einstellen muss, weil das Amt überlastet sei. Betroffene müssen die 14-tägige Quarantänen damit selbständig antreten.

„Je höher die Inzidenzen, desto unsicherer sind die Zahlen“

„Es ist einfach so: Je höher die Inzidenzen, desto unsicherer sind die Zahlen. Davor haben viele Experten gewarnt“, sagt Infektiologie-Chefarzt Wendtner. Er sei deshalb skeptisch, dass eine „deutliche und nachhaltige Entschleunigung des Infektionsgeschehens“ zu erkennen sei. Aber er schließt nicht aus, dass „die 2G- und 3G-Maßnahmen eine gewisse Wirkung zeigen und viele Menschen sich auch freiwillig vorsichtiger verhalten“.

Dass die Maßnahmen einen Einfluss auf die leicht sinkenden Inzidenzen oder zumindest größtenteils stagnierenden Zahlen haben könnten, zeigen auch Mobilitätsdaten des RKI.

Sachsen und Bayern, wo der Großteil der Landkreise mit 1000er-Inzidenzen zu finden sind, beschlossen am 22. und 24. November eine Art Teil-Lockdown. Bereits zwei Wochen zuvor waren dort strenge Maßnahmen in Kraft getreten. In dieser Woche nun sanken die Inzidenzen dort erstmals seit Wochen wieder. Zwei Beispiele aus Landkreisen mit 1000er-Inzidenzen legen nahe, dass die sinkende Mobilität damit zu tun hat.

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Der Landkreis Rottal-Inn war bis Mitte November zwischenzeitlich der Corona-Hotspot in Deutschland mit 1156 Fällen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Ursächlich dafür war wohl unter anderem, dass die Mobilität dort bis Ende Oktober um ein Viertel höher lag als im gleichen Zeitraum im Jahr 2019 – bekanntlich vor der Pandemie.

Bereits als feststand, dass es strengere Maßnahmen geben wird, sank die Mobilität in Rottal-Inn drastisch auf ein Niveau, dass nur noch um rund fünf Prozent über dem von vor zwei Jahren lag. Zwar stieg sie durch das Wochenende Mitte November wieder leicht – doch durch den Teil-Lockdown liegt die Mobilität in dieser Woche erstmals auf einem Niveau unterhalb dem von vor zwei Jahren.

Ähnliches gibt es aus dem derzeitigen Corona-Hotspot, dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, zu berichten. Dort liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei über 2000. Doch auch hier sinkt die Mobilität und liegt mittlerweile sogar auf einem Niveau unter dem von Rottal-Inn.

Ursächlich dafür sind auch hier wohl zumindest zum Teil die Maßnahmen. Denn: Noch vier Wochen, vor Ankündigung der strengeren Maßnahmen bis hin zum Teil-Lockdown, lag die Mobilität in der Sächsischen Schweiz und dem Osterzgebirge rund 20 Prozent über dem Niveau des Zeitraums vor zwei Jahren.

Was ein kompletter Lockdown bringen könnte, zeigen Daten von vor einem Jahr. Damals lag die Mobilität in Rottal-Inn noch vier Prozent niedriger – und im derzeitigen Hotspot in Sachsen sogar sieben Prozent niedriger als jetzt.

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