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Datenschutz: Die Nicht-Unabhängigen

Die Länder müssen ihre Aufsicht für den Datenschutz neu ordnen – und der Bund muss es vielleicht auch.

Berlin - Exakt ein Woche ist es her, dass deutsche Verfassungsrichter drohende Worte an die EU richteten: Der Datenschutz gehöre zur deutschen Identität, urteilten sie zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung; auch in Brüssel müsse man das achten. Doch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg wirft die Frage auf, ob die Deutschen beim Datenschutz wirklich immer alles so richtig machen, wie sie glauben.

Die Datenschutzaufsicht über die Privatwirtschaft müsse unabhängig sein, sagen dort die Richter, und zwar „völlig unabhängig“, wie es die einschlägige EU-Richtlinie wörtlich bestimmt. Das ist sie aber hierzulande nicht, meinte die EU-Kommission und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein, über das der EuGH nun entschieden hat.

Das Problem ist die enge Verzahnung der Datenschutzstellen mit den Länderregierungen. In Deutschland hielt man das für legitim. „Völlig unabhängig“ müssten die Stellen nicht von der Exekutive sein, sondern von der Privatwirtschaft, die sie kontrollieren sollen. Ein Irrtum, urteilten die Richter jetzt, die Stellen müssten jeglicher Einflussnahme entzogen seien – also auch der staatlichen.

Die betroffenen Länder sind nun aufgefordert, ihre Datenaufsicht für den nichtöffentlichen Bereich neu zu regeln. Ohnehin ist das Zusammenspiel von Bund, Ländern und Behörden hier kompliziert. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, wacht über die Bundesbehörden und Telekommunikations- und Postunternehmen. Andere Unternehmen unterliegen der Kontrolle durch die Länder. Die Aufgabe besorgen Aufsichtsbehörden, die wiederum den Ministerien unterstellt sind. Manchmal übernehmen das auch die Landesdatenschutzbeauftragten, die sonst nur die Daten in Behörden kontrollieren. Doch auch sie unterstehen häufig der Dienst- und Fachaufsicht der Landesregierung.

Ein Knoten, der nach dem Willen der Europarichter durchgeschlagen gehört. Überraschend übrigens, hatte der EuGH-Generalanwalt doch noch vorgeschlagen, die Kommissionsklage abzuweisen. Meist folgt man seinem Votum. Diesmal nicht. In Bund und Ländern war man denn auch etwas überrascht.

Gut vorbereitet zeigte sich dagegen der Bundesbeauftragte Schaar. Er freue sich über das Urteil und forderte Konsequenzen für andere Stellen. Er meinte, nicht zuletzt, sich selbst. Seine Behörde untersteht der Rechtsaufsicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). „Völlig unabhängig“ ist auch er nicht, wenngleich das Urteil sich formal nur gegen die Situation in den Ländern richtete. Doch in eine Neuordnung der Datenschutzaufsicht könnte auch er einbezogen werden, zumal im Koalitionsvertrag steht, man wolle seine Unabhängigkeit stärken. Die Datenaufsicht in Bund und Ländern könnte deshalb bald an unabhängiger Stelle angesiedelt werden – statt in der Exekutive etwa bei den Parlamenten.

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