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Datenschutz: Europa gibt Bankdaten für US-Ermittler frei

Die Außenminister haben entschieden: Die Kommission wird mit den USA über ein Abkommen verhandeln, das amerikanischen Fahndern den Zugriff auf EU-Bankdaten erlaubt.

Die Minister erteilten der Kommission am Montag in Brüssel ein entsprechendes Mandat. Deutsche Datenschützer und Politiker kritisierten das Vorhaben heftig; in Deutschland gab es Widerspruch aus dem gesamten Parteienspektrum. Die Kritiker fürchten, durch den Zugriff der US-Fahnder könnten Persönlichkeitsrechte der Bankkunden verletzt werden. Zudem bemängeln sie, dass das Europäische Parlament keine Möglichkeit hatte, Einfluss auf das geplante Abkommen zu nehmen. In den meisten anderen EU-Ländern hingegen spielen solche Fragen in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle.

Viele wichtige Details des Abkommens sind noch völlig unklar. Nach Angaben von EU-Diplomaten sollen Daten höchstens fünf Jahre gespeichert werden. Außerdem soll es "einen weiteren Mechanismus" zwischen der Datenbank und den USA geben, der verhindern soll, dass ohne Kontrolle auf die Daten zugegriffen wird. Wie genau dieser Mechanismus aussehen soll, ist nicht bekannt. "Das ist alles Gegenstand der Verhandlungen", sagten Diplomaten.

Unklar ist auch, ob Bankkunden, die in das Visier der Fahnder geraten, künftig ab einem gewissen Zeitpunkt über die Beobachtung informiert werden müssen. Bislang ahnt der betroffene Bankkunde nichts, wenn US-Fahnder die Bewegungen auf seinem Konto genau unter die Lupe nehmen.

Im Mittelpunkt der Debatte steht die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (Swift). Der belgische Finanzdienstleister wickelt täglich rund 15 Millionen internationaler Überweisungen zwischen etwa 8300 Geldinstituten in 200 Ländern ab. Bereits jetzt greifen amerikanische Ermittler auf Swift-Daten zu, denn der Swift-Hauptserver befindet sich in den USA. Im Jahr 2006 wurde bekannt, dass die dortigen Sicherheitsbehörden nach dem 11. September 2001 eine Anordnung erlassen hatten, die Swift zur Herausgabe von persönlichen finanziellen Daten an das US-Finanzministerium verpflichtet.

Weil die Europäer aber den innereuropäischen Zahlungsverkehr künftig in Europa abwickeln wollen, soll der Swift-Server jetzt dorthin umziehen. Durch die Verlagerung wollte man die Daten auch vor den Begehrlichkeiten der amerikanischen Fahnder schützen. Dennoch wird nun über das neue Abkommen verhandelt. Als sein Ziel wird genannt, Sicherheitslücken im Kampf gegen den Terrorismus zu vermeiden. Datenschützer fürchten, auch europäische Behörden könnten künftig die Daten ausspähen.

Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sagte, es sei "ungeheuerlich", dass die EU "am Europäischen Parlament vorbei" entscheiden wolle. "Das geplante neue Abkommen garantiert den Datenschutz in keiner Weise, es sieht keine verbindlichen Schutzmechanismen vor, weder einen Richtervorbehalt noch einen effektiven Rechtsschutz gegen den Datenmissbrauch durch die US-Behörden", kritisierte er. Den Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso bezeichnete Cohn-Bendit als "Handlanger der USA".

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sprach von illegaler "Schnüffel-Praxis", und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fürchtet, das Abkommen bedeute einen "schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre". Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte dem Tagesspiegel, für den Zugriff der US-Sicherheitsbehörden auf europäische Finanzdaten gebe es keinerlei rechtlichen Ansatzpunkt. 

Der deutsche Staatsminister Günter Gloser, der Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Brüssel vertrat, versuchte die Wogen zu glätten. "Ich stelle klar, es geht nicht um Entscheidungen in der Substanz, sondern um ein Mandat für die EU-Kommission, ein neues Abkommen zu verhandeln", sagte er. "Die Bundesregierung hat in den Vorgesprächen intensive Vorgaben gemacht, an deren Rahmen sich die Kommission bei den Verhandlungen halten muss." So müsse das geplante Abkommen den Anforderungen des europäischen Datenschutzes entsprechen und Rechtschutzmöglichkeiten für die Bürger festschreiben.

Zudem soll die Vereinbarung nur für eine kurze Laufzeit gültig sein, um im Nachhinein doch noch die Rechte des EU-Parlaments zu wahren. Die Kommission hat wiederholt betont, dass es sich nur um einen vorläufigen, auf die Dauer von höchstens einem Jahr begrenzten Vertrag handle und das endgültige Abkommen mit den USA erst nach dem Inkrafttreten Lissabon-Vertrags ausgehandelt werden solle. Rechtskräftig wird es ohnehin erst, wenn die Regierungen der 27 EU-Mitgliedsstaaten der Vereinbarung zugestimmt haben.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, ae

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