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Sebastian Edathy – besaß er kinderpornografische Abbildungen?

© dpa

Datenspeicherung im Bundestag: Edathy-Beschwerde mit Brisanz

Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy behauptet, seine Daten seien im Bundestag widerrechtlich lange gespeichert worden. Das dürfte alle Abgeordneten betreffen.

Während Grüne und Linkspartei am Donnerstag nachmittag zusammen saßen, um den Auftrag für den geplanten Untersuchungsausschuss zur Kinderporno-Affäre um den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy zu formulieren, hat dieser noch ein anderes Fass aufgemacht. Der 44-Jährige beschwerte sich beim Bundestag darüber, dass dort die internen Speicherfristen für Daten von Abgeordneten missachtet würden.

Als Beleg dafür verwies Edathy auf die Akten des niedersächsischen Landeskriminalamts (LKA) zu seinem Fall. Sie ließen darauf schließen, dass die Behörde von der Bundestagsverwaltung über Suchanfragen bei Google und andere Seitenaufrufe informiert wurde, obwohl diese zum Zeitpunkt der Rechnerfreigabe für die Staatsanwaltschaft schon länger als drei Monate zurücklagen. Zudem sei seine E-Mail-Korrespondenz bis ins Jahr 2010 zurück gespeichert und weitergegeben worden. Und womöglich, so Edathy, betreffe dies auch seine Kontakte und seinen Schriftverkehr zum NSU-Untersuchungsausschuss, den er von 2012 bis zu seiner Mandatsniederlegung im Februar 2014 geleitet hat.

"Datenschutzrechtlich äußerst problematisch"

Edathys Beschwerdebrief ging nach Tagesspiegel-Informationen an die Vorsitzende der Parlamentskommission für Informations- und Kommunikationstechnik, Petra Pau, die auch Bundestagsvizepräsidentin ist. Die Linken-Politikerin wollte sich dazu nicht näher äußern. Die Grünen jedoch reagierten aufgeschreckt. Man werde „diesem Vorgang nachgehen und prüfen, ob sich die Bundestags-IT exakt an die Vorgaben gehalten hat“, sagte deren Obfrau im Innenausschuss und Sprecherin für innere Sicherheit, Irene Mihalic, dem Tagesspiegel. „Wenn sich herausstellt, dass die Daten tatsächlich länger aufbewahrt wurden, wäre das nicht nur ein Verstoß gegen die internen Maßgaben des Bundestages, sondern datenschutzrechtlich äußerst problematisch.“

Brisanz erhält Edathys Beschwerde dadurch, dass von einer überlangen Datenspeicherung natürlich auch andere Parlamentarier betroffen sein könnten. Die LKA-Akten legten nahe, dass die Bundestagsverwaltung von allen Abgeordneten sämtliche Internetverbindungsdaten, die IP-Adressen, die im Internet aufgerufenen Seiten, die Uhrzeiten der Seitenaufrufe, den so genannten Datentraffic, sämtliche E-Mails und alle Anfragen bei Suchmaschinen speichere, zitiert Spiegel Online aus Edathys Brief. „Es kann nicht sein, dass das Bundesverfassungsgericht die Speicherung von Vorratsdaten und den Zugriff auf diese als verfassungswidrig untersagt, aber ausgerechnet der Bundestag Vorratsdaten speichert und diese auch noch – sogar entgegen den intern behaupteten Regularien – herausgibt“.

Drei-Monats-Frist aus technischen Gründen

Tatsächlich ist schon die Vorgabe, derartige Verbindungsdaten drei Monate verfügbar zu halten, schwer zu verifizieren. Selbst IT-Insiderin Pau musste diesbezüglich nachforschen lassen. Ihr Ergebnis: Im Jahr 2008 wurde diese Frist für alle Verbindungsdaten im Informationsverbundsystem des Bundes festgelegt – „zum Zwecke des technischen Supports oder der Fehlerbehebung“, wie die Politikerin dem Tagesspiegel bestätigte. Vorher habe sogar eine sechsmonatige Speicherfrist gegolten.

Lange Bestand dürften diese Vorgaben aber kaum noch haben. Schließlich wussten viele Abgeordnete gar nichts davon. Und Bundesverfassungsgericht wie Europäischer Gerichtshof haben sich zwischenzeitlich klar gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung gewandt. Dass dies aus technischen Gründen ausgerechnet für Abgeordnete und deren oft vertraulichen Kontakt mit den Bürgern nicht gelten sollte, wäre schwer begründbar.

Bereits am nächsten Donnerstag treffen sich Vertreter aller Fraktionen, um über die fragwürdigen Datenspeichervorgaben zu beraten. Unabhängig vom Fall Edathy und dessen Vorwürfen. Und bis zur Sommerpause werde es dann „wohl hoffentlich neue Regelungen geben“, sagt Pau. Über die bisherige Speicherpraxis höre sie jedenfalls „aus allen Fraktionen nur Unbehagen“.

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