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Datenspeicherung: Sachsen sammelt weiter

Weiterer Fall von massenhafter Datenspeicherung der Polizei nach Brandanschlag.

Das umstrittene Speichern von tausenden Mobilfunkdaten nach einer Demonstration im Februar in Dresden durch die sächsische Polizei war kein Einzelfall. Das sächsische Landeskriminalamt (LKA) hat ebenso nach einem Brandanschlag auf die Albertstadtkaserne in der Landeshauptstadt 2009 tausende Daten von Kunden der Baumarktkette Obi und von Mobilfunknutzern sichergestellt und miteinander abgeglichen – ohne Ermittlungsergebnis. Die Datensätze sollen mit dem Computersystem Efas abgeglichen worden sein, ergaben Recherchen des Mitteldeutschen Rundfunks. Die Daten würden zwei Jahre nach dem Anschlag immer noch auf Polizeicomputern gespeichert. Die digitale Rasterfahndung, von der tausende unbescholtene Bürger betroffen sind, hat nun Politiker und Datenschützer auf den Plan gerufen.

Nach dem Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge in der Albertstadtkaserne am 12. April 2009 beschlagnahmte das LKA 162 000 Einkaufsjournale bei Obi und forderte tausende Mobilfunkdaten an. „Die Daten sind ausgewertet worden“, bestätigte eine LKA-Sprecherin. Anlass für die Datenerhebung sei der Fund einer schwarzen Kiste gewesen, die aus dem Sortiment des Baumarktes stammt. Die vermutlich linksextremen Täter hatten bei dem Anschlag einen selbstgebauten Brandsatz in dieser Box platziert, der nicht explodierte. Die Ermittler hofften, unter den Kunden des Baumarkts die Brandstifter ausmachen zu können. Gelohnt hat sich die Datenauswertung nicht. „Wir haben leider noch keine Täter ermittelt“, sagte die LKA-Sprecherin.

Mittlerweile liegen mehrere parlamentarische Anfragen zu dem Thema vor. Auch der sächsische Datenschutzbeauftragte prüft den Umgang der Polizei mit Mobilfunkverbindungsdaten nach der Anti-Nazi-Demonstration am 19. Februar 2011 und dem Brandanschlag. „Beide Fälle müssen dringend beleuchtet werden“, sagte ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten. „Es stellt sich die Frage, ob sich Staatsanwaltschaft und Polizei im Rahmen des gerichtlichen Beschlusses bewegt haben.“ Zudem werde geprüft, ob die Auswertung von tausenden Kundendaten verhältnismäßig sei.

Die Opposition zeigte sich über das Vorgehen der Behörden entsetzt: „Das Bewusstsein für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ist in der Spitze von Polizei und Justiz des Freistaats erschreckend unterentwickelt“, kritisiert Johannes Lichdi, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Es ist ein Skandal, dass die erhobenen Daten bis heute weder gelöscht noch die Betroffenen informiert worden sind.“ Auch Politiker der SPD und sogar der mitregierenden FDP äußerten sich kritisch. In der kommenden Woche wird sich der Landtag mit dem Thema beschäftigen: Eine Novelle des sächsischen Datenschutzgesetzes soll beraten werden, die Opposition hat eine Aktuelle Stunde des Rechts- und des Innenausschusses beantragt.

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