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Datenweitergabe: Deutscher Geheimdienst kooperiert eng mit NSA

Auch der Geheimdienst tauscht seit Jahren Informationen mit den US-Kollegen aus. Die Opposition fordert Aufklärung und wittert im Wahlkampf einen neuen Skandal.

Der deutsche Geheimdienst kooperiert eng mit den amerikanischen Kollegen: Mitarbeiter des Verfassungsschutzes haben angeblich allein im vergangenen Jahr Hunderte vertraulicher Datensätze an den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) geschickt. Im Gegenzug erhielten die Verfassungsschützer Informationen und Spionagesoftware aus den USA. Außerdem soll es regelmäßige Treffen zwischen Vertretern des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) und der NSA geben, wie die „Süddeutsche Zeitung“ und der NDR unter Berufung auf ein Geheimdokument der Bundesregierung berichten. Einmal in der Woche trifft sich demnach ein NSA-Mitarbeiter mit deutschen Geheimdienstlern in einer BfV-Liegenschaft in Berlin-Treptow, um Informationen auszutauschen.

Verfassungsschutz verteidigt Datenweitergabe an NSA

SPD, Grüne und Linke verlangten am Samstag umfassende Aufklärung. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, sagte dem Tagesspiegel: „Es muss geklärt werden, ob der Verfassungsschutz eine rote Linie überschritten hat.“ Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth mahnte, mit jeder neuen Enthüllung über die Zusammenarbeit der NSA mit deutschen Diensten gerate das Vertrauen der Bürger in den Staat „immer weiter ins Rutschen“. Und der Innenexperte der Linksfraktion, Jan Korte, forderte die Bundesregierung auf, das „hochgradig verfassungswidrige Treiben“ umgehend zu beenden.

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen betonte hingegen, die Weitergabe von Informationen erfolge nach Recht und Gesetz. Die Kooperation mit dem US-Geheimdienst trage „erheblich zur Verhinderung von Terroranschlägen und damit zum Schutz von Leib und Leben in Deutschland bei“, erklärte er. Das Bundestagsgremium, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig sei (das Parlamentarisches Kontrollgremium), werde über die in dem Bericht beschriebene Datenübermittlung „vollumfänglich“ informiert, sagte Maaßen weiter.

Opposition fordert, Weitergabe von Daten an NSA einzufrieren

Der SPD-Innenpolitiker Hartmann verlangte hingegen, die Datenweitergabe an den US-Geheimdienst „einzufrieren, bis die USA erklärt haben, in welchem Umfang und von wo aus sie Daten an sich genommen haben“. Er sei für eine Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden mit den Diensten der USA. „Die muss aber strengstens orientiert sein an fairen Regeln der Zusammenarbeit, nicht an einem beliebigen Informationshunger der US-Geheimdienste“, sagte Hartmann weiter. Die Behauptung von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), in der NSA-Affäre sei alles aufgeklärt, sei eine „Unverschämtheit“. Auch der Linken-Politiker Korte forderte, die Datenübermittlung an die USA zu stoppen, „solange die Bespitzelung der Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesrepublik nicht eingestellt und völlige Aufklärung über die Machenschaften der Geheimdienste geleistet wurde“.

Ende Juli hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz nach den Enthüllungen über die NSA-Spähaffäre erklärt, es teste das NSA-Datenanalyseprogramm XKeyscore, setze es aber derzeit nicht ein. XKeyscore ist nach Dokumenten, die von dem früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden veröffentlicht wurden, ein Analysewerkzeug, das die Beobachtung des Internetverkehrs in Echtzeit ermöglicht.

Grünen-Chefin Roth sagte, wenn es stimme, dass der Verfassungsschutz von Deutschland gesammelte Daten an die NSA und andere Dienste liefere und aufs Engste mit der NSA kooperiere, „dann hat Herr Maaßen gelogen“. Es sei „völlig unglaubwürdig“, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Kanzleramtsminister Pofalla davon nichts gewusst haben wollten. „Diese Bundesregierung ist für die Sicherheit der Bürger und für den Schutz ihrer Grundrechte inzwischen selbst das größte Risiko“, kritisierte Roth.

Verfassungsschutz erhielt im Gegenzug Verbindungsdaten aus den USA

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll dem Geheimdokument zufolge neben den 864 Datensätzen im vergangenen Jahr auch „regelmäßig bewertete Sachverhaltsdarstellungen“ in die USA übermittelt haben. Im Gegenzug soll der deutsche Inlandsgeheimdienst in den vergangenen vier Jahren 4700 Verbindungsdaten aus den USA erhalten haben.

In der NSA-Affäre reist in der kommenden Woche erneut eine Gruppe aus deutschen und EU-Experten nach Washington, um auf weitere Aufklärung zu drängen. Die Delegation werde am 19. und 20. September in den USA Gespräche führen, sagte ein Sprecher von Friedrich. Der Minister betonte den Angaben zufolge in einem Gespräch mit US-Justizminister Eric Holder, dass Deutschland und Europa „Klarheit“ wollten. Es seien weitere Informationen zur Aufklärung der Spähaffäre um den US- Geheimdienst NSA nötig. Holder verwies demnach darauf, dass die bereits begonnene Freigabe von Dokumenten weiter fortgesetzt werde. (mit dpa/AFP)

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