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Kamingespräch. Der britische Premier Cameron mit EU-Kommissionspräsident Juncker auf seinem Landsitz.

© Suzanne Plankett/dpa/EPA

David Cameron forciert EU-Reform: Mit Charme und Schweinebauch

Der britische Premier David Cameron beginnt seine Gespräche zur EU-Reform mit fünf Regierungschefs. Zum Auftakt lud er EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf seinen Landsitz - um den Spielraum zu sondieren.

Vor dem Dinner zeigte David Cameron seinem Gast die Räume, in denen Churchill seine Kriegsreden schrieb und zitierte als Erinnerungshilfe: „Wir werden sie an den Stränden schlagen.“ Dann wurde Schweinebauch serviert. Wieder zieht ein britischer Premier gegen Europa zu Felde, aber erst mal geht es um eine Charmeoffensive. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurde in die Landresidenz des Premiers, Chequers, geladen, um den Spielraum für die Reformen zu sondieren, die es vor dem britischen EU-Referendum „spätestens Ende 2017“ geben soll. Cameron warnte Juncker: „Die Briten sind nicht glücklich mit dem Status quo in der EU“. Juncker versprach, nach „fairen Lösungen“ zu suchen.

Seit Camerons Wahlsieg überstürzen sich die Ereignisse. Unternehmen und Banken fürchten eine Periode der Unsicherheit. Auch deshalb will Cameron schnell verhandeln und den Volksentscheid vielleicht vorziehen. Er warnte aber: „Die Gespräche werden nicht leicht und nicht schnell.“ An diesem Mittwoch wird die Queen bei der traditionellen Parlamentseröffnung die Regierungserklärung verlesen. Dann wird das Gesetz für das EU-Referendum eingebracht. Die Labour-Partei hat mit ihrer Wahlschlappe eingesehen, dass die Briten das Referendum wollen, und werden das Gesetz jetzt unterstützen.

Cameron will seine Reformforderungen auf dem nächsten EU-Gipfel vortragen und vorher mit allen EU-Partnern sprechen. Die erste Etappe führt ihn am Donnerstag zum Frühstück nach Dänemark, zum Lunch in die Niederlande, zum Abendessen zu Präsident François Hollande nach Paris. Am Freitag geht es nach Polen und zu einem Arbeitsessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin. Cameron will nicht öffentlich verhandeln, weil er die „Outers“, die Euroskeptiker in den eigenen Reihen, die auf jeden Fall austreten wollen, nicht mit Details seiner Position füttern will. Aber einige Punkte sind klar und zeigen die Schwierigkeiten, weil substanzielle Reformen nicht ohne eine Änderung der EU-Verträge möglich sind. Das aber haben Frankreich und Deutschland so gut wie ausgeschlossen.

Ganz oben auf der Liste steht die Einwanderung. Neue Rekordzahlen bei der EU-Zuwanderung haben den Druck auf Cameron weiter erhöht. Der Premier will Lohnzuzahlungen (sogenannte „Tax Credits“) für EU-Zuwanderer streichen. Diese Sozialleistungen, die über 10 000 Euro im Jahr betragen können, machen Großbritannien für EU-Einwanderer so attraktiv. Sie auszuschließen, würde gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und wäre unter den gegenwärtigen Vertragsbedingungen „fast unmöglich“, wie EU-Diplomaten sagen.

Andere Punkte sind Vetorechte für Nationalparlamente und die Forderung der Briten, von der in der Präambel der römischen Verträge beschriebenen Verpflichtung zu „immer engerer Union“ befreit zu werden. Eine neue Version dieser Forderung ist laut „Times“ der Wunsch, die Beschreibung des Euro als „einheitlicher Währung der EU“ zu streichen. Die EU soll also akzeptieren, dass Großbritannien eine andere Kategorie der EU-Mitgliedschaft und andere Perspektiven hat als die Länder der Eurozone. Dazu gehört auch der Schutz der Briten vor Mehrheitsentscheidungen der Eurozone.

Am Wochenende wurde bekannt, dass die britische Zentralbank damit begonnen hat, die Folgen eines britischen EU-Austritts zu untersuchen. Großbritanniens Euroskeptiker lassen Cameron ruhig verhandeln und planen gleichzeitig ihre Kampagne für den EU-Austritt. Sie gehen fest davon aus, dass Cameron zu wenig fordert – und noch weniger nach Hause bringen wird.

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