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DDR-Vergangenheit: Ostdeutsch und krisenerprobt

Matthias Schlegel über ein präsidial präsentiertes Platzeck-Buch: Der Brandenburger Regierungschef will mit "Zukunft braucht Herkunft" bewirken, dass der Westen vom Osten lernt.

Von Matthias Schlegel

Da hatte die Moderatorin den Altbundespräsidenten gründlich missverstanden: Das Buch solle mehr westdeutsche Lehrer finden, hatte Richard von Weizsäcker nun wirklich nicht gesagt – vielmehr waren Leser gemeint. Denn westdeutsche Lehrer und Lehrmeister hatte der Osten wahrlich genug. Und Matthias Platzeck, Brandenburger Regierungschef seit 2002 und für 147 Tage SPD-Bundeschef, will mit seinem Buch „Zukunft braucht Herkunft“ nämlich genau das Gegenteil bewirken: dass der Westen vom Osten lernt.

Bei der Buchvorstellung am Montag in Berlin bemühte Platzeck sie zwar alle wieder, die oft zitierten DDR-Errungenschaften, die der Westen spät für sich entdeckte: Polikliniken, Abitur nach zwölf Jahren, staatliche Kleinkinderbetreuung. Aber mehr noch möchte er das Zupackende der Ostdeutschen aus Umbruchszeiten im geeinten Deutschland wiederfinden, um der Krise zu begegnen. Das sei wichtiger als die ewige Debatte darüber, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Wenngleich für Platzeck außer Frage steht: „Wenn es kein Unrechtsstaat gewesen wäre, wären nicht Hunderttausende auf die Straße gegangen oder abgehauen.“

Die Ostdeutschen hätten in den vergangenen zwei Jahrzehnten als „Stoßtrupp in eine neue Zeit fungiert“, schreibt der SPD-Politiker in seinem Buch. Und sagt voraus: Es könne durchaus sein, dass das im Osten praktizierte „flexible Wirtschaften in kleineren Einheiten“ das zukunftstauglichere Modell sei. Schließlich sei unsicher, ob „die großen Flaggschiffe der deutschen Industrie die nächsten zwei Jahrzehnte noch überleben werden“.

Von Weizsäcker sieht milde über Platzecks Bekenntnis hinweg, die Einheit sei einst für ihn zunächst keine Option gewesen, weil „Westdeutschland für mich ein anderes Land war“. Und der Altbundespräsident hat Verständnis, dass Platzeck damals „keinen Anschluss unter dieser Nummer“, nämlich einen Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes, wollte. Es sei ein Fehler gewesen, gesteht der Westdeutsche dem Ostdeutschen ein, dass es über die Art der Vereinigung keine Abstimmung gegeben habe.

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