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Die Debatte um das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch macht Maiziere das Leben zusätzlich schwer

© dpa

De Maiziere unter Druck: Debatte um G36: Ist die Bundeswehr falsch ausgerüstet?

Und noch ein Streit, der Verteidigungsminister de Maiziere das Leben schwer macht: Taugt das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch im Einsatz oder gefährdet es Soldaten?

Von Michael Schmidt

Teure Drohnen-Debakel, verspätet gelieferte Hubschrauber, Klagen über mangelhafte Ausrüstung der Soldaten: Es scheint das Schicksal von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu sein, sich für Projekte und Probleme rechtfertigen zu müssen, die er von seinen Vorgängern geerbt und nur bedingt zu verantworten hat. Aber: Er ist nunmehr der Hausherr im Bendlerblock. Es ist an ihm, sich zu diesem Erbe zu verhalten – es anzunehmen oder auszuschlagen. Und so muss er dieser Tage nicht nur die Vorgeschichte des „Euro Hawk“-Stopps akribisch nachvollziehen und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar machen. Seit am Montag bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen des Verdachts der Untreue bei der Waffen-Beschaffung ermittelt, wird der amtierende Verteidigungsminister zudem Zeuge einer nicht neuen, aber neu entflammten Debatte über die Standardwaffe der Bundeswehrsoldaten, das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch: eine High-Tech-Waffe mit Kunststoffgehäuse. Taugt sie für den Einsatz – oder gefährdet sie, weil mängelbehaftet, die Soldaten?
Wer im Haus des Ministers nachhört, erhält zur Antwort, das Gewehr G36 sei „bei bestimmungsgemäßem Gebrauch handhabungs-, funktions-, betriebs- und treffsicher“. „Bei bestimmungsmäßigem Gebrauch“ – das klingt, als hätten Soldaten, die Probleme haben, diese deshalb, weil sie die Waffe nicht „bestimmungsgemäß“ nutzen. Das will natürlich so keiner sagen. Aber gemeint ist es schon.

Bundeswehr-Untersuchungen bestätigen die Probleme

Als sich beim Wehrbeauftragten Klagen häuften und der Bundesrechnungshof die Beschaffung der Waffe monierte, von der es rund 160000 bis 170000 Stück bei der Truppe gibt, weil es keine angemessene Einsatzprüfung gegeben habe, die Waffe mit ihrem kleinen Kaliber bei Treffern aus größerer Distanz den Gegner nicht sofort kampfunfähig mache und die Kugeln schon bei leichtem Wind abgelenkt würden – da ging die Bundeswehr im vergangenen Jahr den Zweifeln nach. In einer als vertraulich eingestuften Einsatzauswertung, Titel: „Aus dem Einsatz lernen, 4/2012“, aus dem das ZDF-Magazin "Frontal 21" zitierte, heißt es: „Durch Truppe im Einsatz wurde eine mangelnde Wirksamkeit des G36 festgestellt.“ Das liege zum Teil „an der Wirksamkeit der Munition, die für Kampfentfernungen über 300-400m nur bedingt geeignet ist“. Weiter heißt es darin: „In den Medien wurden Aussagen über ein Absinken der Treffleistung der Waffe bei heiß geschossenem Rohr gemacht“ – Versuche an der Wehrtechnischen Dienststelle 91 (WTD91) hätten „diesen Sachverhalt im Wesentlichen bestätigt.“ Bundeswehrtechniker rieten daraufhin von Neuanschaffungen ab.

Doch die Abteilung Streitkräfteführung des Ministeriums stufte die Waffe weiterhin als einsatztauglich ein. Staatssekretär Christian Schmidt (CDU) antwortete auf eine Anfrage des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele: „Die fachtechnischen Prüfungen am Gewehr G36 haben die bisherige Bewertung des Bundesministeriums der Verteidigung, dass für die aufgetretenen Effekte physikalische Gesetzmäßigkeiten ursächlich sind, bestätigt. Es wurde kein Mangel am Gewehr G 36 festgestellt.“ Und das Einsatzführungskommando reagierte mit einer Weisung an die Truppe, die der Wehrbeauftragte, Hellmut Königshaus (FDP) im Gespräch mit dem Tagesspiegel „merkwürdig“ nennt – „einen wenig hilfreichen, weil praxisfernen Hinweis“, der wieder an den richtigen Umgang des Soldaten mit der Waffe erinnerte. Darin wird den Kämpfenden empfohlen, bei starker Rohrerhitzung die Waffe „auf Handwärme“ abzukühlen. „Ist in einer taktischen Situation das Abkühlen des Gewehrs nicht möglich, und muss weitergeschossen werden, ist zu berücksichtigen, dass bei weiterem Feuerkampf Waffen komplett ausfallen können und/oder dauerhaft beschädigt werden.“

Das G36 ist nicht für Dauerfeuer gemacht

Kritiker fragen nun, ob dem Minister das Wohl und Wehe der Soldaten weniger am Herzen liege als das des Herstellers Heckler & Koch. Praktiker weisen darauf hin, dass das G36 nicht die einzige Waffe sei, die dem Soldaten zur Verfügung stehe. Je nach Situation stehe von der Pistole über das Maschinengewehr bis hin zur Panzerfaust alles zu Verfügung, um einsatz- und missionsgerecht kämpfen zu können. Und tatsächlich sei das G36 – apropos „bestimmungsgemäß“ – nie für Dauer- und Deckungsfeuer konzipiert gewesen, sondern für Einzelfeuer und Feuerstöße.

Bis auf weiteres, und in dieser Formulierung steckt bereits die auf die Zukunft gerichtete Hoffnung, der Minister werde auf Heckler & Koch entsprechend einwirken, gilt für fast alle mit der Sache Befassten, was der Wehrbeauftragte Königshaus so ausdrückt: „So lange es nicht Besseres gibt, müssen wir die Truppe mit dieser Standardwaffe ausstatten – und es gibt derzeit nichts Besseres."

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