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Politik: De Maizière wehrt sich in Sachsen-Affäre

Kanzleramtschef bestreitet Fehlverhalten

Von Matthias Schlegel

Berlin - Der Chef des Bundeskanzleramts, Thomas de Maizière (CDU), hat Vorwürfe der sächsischen Opposition im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre im Freistaat zurückgewiesen. Die PDS hatte behauptet, de Maizière habe als sächsischer Innenminister 2004 und 2005 Gesetzesverstöße geduldet, weil er die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages nicht über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu Korruption und organisierter Kriminalität im Freistaat informiert habe.

Prinzipiell müsse festgestellt werden, dass der Verfassungsschutz „Strukturen beobachtet, er ist keine Ermittlungsbehörde“, sagte de Maizières Sprecherin Astrid Kny dem Tagesspiegel. „Die Erkenntnisdichte des Verfassungsschutzes war nicht ausreichend, um die PKK zu informieren“, sagte sie. Zur Frage, ob de Maizière Ausmaß und Tragweite der vom Verfassungsschutz gesammelten Informationen bekannt gewesen seien, wollte sie nichts sagen. Zu Inhalten der Akten werde nicht Stellung genommen. Die Vorgänge müssten „mit größtmöglicher Offenheit und Konsequenz aufgeklärt werden. Dabei ist der von Sachsen eingeschlagene Weg der richtige“, sagte Kny.

Unterdessen zieht die Affäre in Sachsen immer weitere Kreise. Am Mittwoch leitete das sächsische Justizministerium ein Disziplinarverfahren gegen den früheren Leipziger Oberstaatsanwalt und heutigen Präsidenten des Amtsgerichts Chemnitz Norbert Röger ein. In den öffentlichen Debatten um Verstrickungen von Leipziger Kommunalpolitikern und Juristen in Rotlichtaffären und zwielichtige Immobiliengeschäfte war der Name des 1993 von Koblenz nach Leipzig gewechselten Mannes mehrfach gefallen. Vorgänge zu diesem Komplex sollen unter vielen anderen in rund 15 000 Seiten beschrieben sein, die der sächsischen Verfassungsschutz zwischen 2003 und 2006 anlegte. In den rund 100 Akten geht es auch um Sex mit Minderjährigen, mit dem Personen des öffentlichen Lebens erpressbar gemacht worden seien, um Bandenkriminalität, neonazistische Umtriebe, Anschläge und ominöse Todesfälle im Zusammenhang mit Immobilienhandel.

Der sächsische PDS-Politiker Klaus Bartl hatte Röger als „Teil des Leipziger Filzes“ bezeichnet, der unter anderem auf lokaler Ebene Ermittler in Sachen organisierter Kriminalität „blockiert“ habe. Ministeriumssprecher Martin Marx sagte, aus der „Gesamtschau der jüngst erhobenen Vorwürfe“ müsse geprüft werden, ob sich der Jurist eines Dienstvergehens schuldig gemacht habe. Dass ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde, bedeute „keine Vorverurteilung“, sagte Marx dem Tagesspiegel. Die Prüfung gehe zunächst nicht von den Verfassungsschutz-Akten aus, die im Justizministerium „noch nicht eingesehen“ worden seien, da sich damit zunächst die Staatsanwaltschaft befassen müsse. Ein sogenannter Sachstandsbericht zu Verfassungsschutz-Akten mit 20 Seiten Text und 20 Seiten Anlagen war dieser Tage dem sächsischen Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm übergeben und Generalbundesanwältin Monika Harms zugeleitet worden.

Auf Antrag der PDS wird sich eine Sondersitzung des sächsischen Landtages am Dienstag kommender Woche mit der Korruptionsaffäre befassen. Je nach deren Verlauf will die PDS-Fraktion danach entscheiden, ob sie einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema beantragt.

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