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Rekruten der Bundeswehr könnten bald Seltenheitswert haben.

© dpa

Debatte in der Union: Wehrpflicht: Ausgedient?

Verteidigungsminister zu Guttenberg erwägt, die Wehrpflicht auszusetzen. Die Debatte rührt an das Selbstverständnis der Union – und könnte sie spalten.

Sie ist ein Teil des christdemokratischen Selbstverständnisses, die Wehrpflicht. Die starke Verbundenheit der Union mit dem Dienst an der Waffe ist historisch bedingt: Die CDU war es, die im Zuge von Wiederbewaffnung und Beitritt zur Nato das Wehrpflichtgesetz 1956 gegen den Widerstand von SPD und Vertriebenenpartei durchsetzte.

Im Grundsatzprogramm der CDU von 2007 steht unter Artikel 361: „Wir bekennen uns zur Wehrpflicht.“ Sie habe sich unter wechselnden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen bewährt und solle diesen stetig angepasst werden. Die Einsatzbereitschaft und Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr sei aber nur durch eine ausreichende Zahl an Reservisten gewährleistet – die Grundlage dafür bilde die allgemeine Wehrpflicht. Im Grundgesetz ist sie in Artikel 12a verankert. Und dort soll sie nach dem Willen der Bundeskanzlerin auch bleiben. Ebenso sieht es der christlich-liberale Koalitionsvertrag „im Grundsatz“ vor, allerdings mit dem bereits verwirklichten Zusatz, die Wehrdienstzeit auf sechs Monate zu reduzieren.

Trotz dieser Bekenntnisse treibt das Thema einen Keil in die Reihen der Unionspolitiker – und dies quer durch beide Schwesterparteien. Soll die Wehrpflicht ausgesetzt werden oder nicht? CSU-Chef Horst Seehofer fürchtet sogar ihr Ende: Wer die Wehrpflicht aussetze, der schaffe sie ab. Auch sein Parteifreund, CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, ist gegen eine Aussetzung. Dessen CDU-Amtskollege Hermann Gröhe kündigte eine Befragung der Basis zum Thema an – ein Zeichen dafür, wie identitätsstiftend die Wehrpflicht für die Union ist. „Das ist unsere Agenda 2010“, ließ sich ein Unionspolitiker jüngst im „Spiegel“ zitieren und beschwor damit die Angst vor der Spaltung. Den Gegnern einer Aussetzung stehen die Positionen von CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich und vor allem die Überlegungen des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg gegenüber, die es unter dem Diktat des Sparzwangs in Erwägung ziehen, die Wehrpflicht auszusetzen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der CDU, Ruprecht Polenz, weist darauf hin, dass sich die Wehrpflicht bewährt habe: Das Konzept des Staatsbürgers in Uniform sei für die feste Verwurzelung der Bundeswehr in der Bevölkerung verantwortlich. Die dienstleistenden Söhne erzählten zu Hause von ihren Erlebnissen, durch diese Kommunikation entständen Transparenz und Vertrauen.

Polenz sieht, dass sich die sicherheitspolitische Lage für Deutschland verändert hat. Deutschland sei, anders als zu Zeiten des Kalten Krieges, territorial nicht bedroht. Die Republik sei von Bündnispartnern umgeben – dabei unterliege sie allerdings auch Bündnisverpflichtungen. Die Wehrverfassung habe sich grundsätzlich bewährt, sagt der Christdemokrat, auch in ihrer Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Sicherheitslagen. Eine Aussetzung der Wehrpflicht kommt für ihn nicht infrage. Nationale Sicherheit ist für Polenz eine gemeinschaftliche Aufgabe, die man nicht einfach „outsourcen“ dürfe. Zudem sei es womöglich teurer, Freiwillige anzuwerben. Wichtig sei, den Wehrpflichtigen das Gefühl zu geben, dass das, was sie tun, die Regel ist. Daher müsse das Problem der Wehrgerechtigkeit besser gelöst werden. Laut einem Sprecher des Verteidigungsministeriums leisten nur rund 16 Prozent eines Jahrgangs Wehrdienst. Von den jungen Männern, die nicht verweigern oder als untauglich gemustert beziehungsweise anderweitig vom Wehrdienst ausgenommen sind, werden derzeit 72 Prozent eingezogen.

Auch aus anderen Richtungen in der CDU kommen Stimmen gegen eine Aussetzung. Unter anderem stelle sich die Frage, was ohne Wehrpflicht aus dem Zivildienst würde, dem die Union große sozial- und jugendpolitische Bedeutung beimisst. Zudem ergäbe sich ein weiteres Problem: die Nachwuchsgewinnung. Bei einem Verzicht auf die Wehrpflicht würden weit weniger junge intelligente Männer den Weg in die Reihen der Bundeswehr finden, heißt es. Dies würde dazu führen, dass die Einstellungskriterien gesenkt werden müssten, wie beispielsweise in Italien, das seit 2005 eine Freiwilligenarmee unterhält. Durch mangelnden Nachwuchs würde die Bundeswehr überaltern. Als Beispiel wird die belgische Armee mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren genannt. Die spanische Armee, für die seit 2002 keine Wehrpflicht mehr gilt, leide unter großem Personalmangel: Spanien ermögliche Lateinamerikanern einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft, wenn diese sich im Gegenzug bei den Streitkräften verpflichten.

Philip Frank

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