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Debatte über Atomkraft in Deutschland: Spaltung in der Kernfrage

Schwarz-Gelb ist uneins darüber, was aus der Prüfung der deutschen Kraftwerke folgt – selbst die FDP-Spitze ist geteilter Meinung

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Knapp eine Woche nach der Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik zeigen sich innerhalb der schwarz-gelben Koalition unterschiedliche Zielrichtungen für ein Ergebnis des dreimonatigen Moratoriums. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) erneuerte seine Pläne für einen beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie. „Wir müssen alles daran setzen, schneller aus der Kernenergie herauszukommen“, sagte Röttgen.

Gleichzeitig warnt FDP-Chef Guido Westerwelle vor der Erwartung, dass die Laufzeiten der Kernkraftwerke nach dem Moratorium gekürzt würden. Dies hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in den vergangenen Tagen immer wieder angedeutet. Für Westerwelle sind kürzere Laufzeiten hingegen keine beschlossene Sache, wie er dem „Spiegel“ sagte. Westerwelle verwies auf die dreimonatige Frist, um die Sicherheit in den Meilern zu prüfen. Der wolle er nicht vorgreifen.

Der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, hatte allerdings schon zur Wochenmitte deutlich gemacht, dass er nicht erwartet, dass die von Schwarz-Gelb letztes Jahr beschlossenen Laufzeiten noch voll gelten. Mit Blick auf die sieben ältesten Meiler, die in dieser Woche allesamt vom Netz gegangen sind, hatte Lindner die Übertragung von Reststrommengen dieser Kraftwerke auf neuere Kraftwerke ausgeschlossen. In der Summe würde das eine Verkürzung der Laufzeiten bedeuten. Die FDP in Schleswig-Holstein unterstützte diesen Kurs und forderte am Samstag in Neumünster, am rot-grünen Atomausstieg von 2002 festzuhalten oder – wenn möglich – die Kernkraftwerke noch früher abzuschalten.

Der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, bot Kanzlerin Merkel indes eine große Koalition für den Atomausstieg an. Der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ sagte er, angesichts des Desasters in Japan hoffe er quer durch die Lager auf eine neue Bereitschaft zur Arbeit an einem überparteilichen Energiekonsens. „Die Gespräche können sofort beginnen.“ Diese Chance müsse jetzt auch genutzt werden, unabhängig von den Landtagswahlen dieses Jahres. Gabriel verlangt als Ergebnis der Gespräche einen konkreten Zeitplan für einen vollständigen Atomausstieg bis zum Jahr 2020. Als Voraussetzung dafür nannte Gabriel die endgültige Abschaltung der sieben Altmeiler. Die SPD will kommende Woche dem Bundestag ein Gesetz dafür vorlegen. Merkel hatte diesem Vorschlag allerdings in der letzten Woche eine Absage erteilt.

Für die Grünen ist ein Ausstieg bis 2020 allerdings noch nicht ausreichend. Sie fordern als Konsequenz aus der Katastrophe in Japan den Ausstieg aus der Atomenergie bis spätestens 2017. Die Ereignisse in Japan seien auch für die Grünen eine Zäsur. Fukushima müsse „der Anfang vom Ende des Atomzeitalters sein“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir am Samstag auf dem Grünen-Länderrat in Mainz.

Wie es weitergeht in der deutschen Atomwirtschaft, soll sich in groben Zügen am kommenden Dienstag zeigen. An diesem Tag will die Kanzlerin mit den CDU-Länderchefs, in denen es Kernkraftwerke gibt, erneut zusammenkommen und über einen Fahrplan für das Moratorium sprechen. Geladen sind auch Umweltminister Röttgen und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Mit Spannung wird vor allem die Entscheidung darüber erwartet, wer die Verantwortung für die Sicherheitsüberprüfung aller Atommeiler erhält. Geht diese an das Umweltministerium, müssen Kraftwerksbetreiber hohe Sicherheitshürden befürchten. Erwartet wird daher, dass die Verantwortung das Bundeskanzleramt übernimmt.

Minister Brüderle legte am Samstag Eckpunkte eines Planungsbeschleunigunggesetzes zum Ausbau der Leitungsnetze und Speicher für erneuerbare Energien vor. Ähnlich wie bei Straßen nach der Wiedervereinigung, sollen dafür die Planungszyklen verkürzt werden und der Bund die Planungshoheit erhalten.

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