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SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Ministerpräsident Stephan Weil bei einem Wahlkampfauftritt in Hannover.

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Debatte über Neuwahlen: Niedersachsen könnte Martin Schulz sogar helfen

Es klingt absurd, aber die Regierungskrise in Hannover ist eine Chance für die SPD. Neuwahlen versprechen neue Dynamik im Bund. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Unverhofft kommt oft ungelegen, und im Wahljahr erst recht. Die Landtagsabgeordnete Elke Twesten aus Rotenburg an der Wümme war bisher bestenfalls in den Niederungen der niedersächsischen Landespolitik ein Begriff. Am Freitag hat die Grüne einen doppelten Sprengsatz gezündet. Seine Wirkung reicht weit über Hannover hinaus. Die Frau ist nicht nur aus der eigenen Partei ausgetreten, sondern will zur CDU. Keine zwei Monate vor der Bundestags- und kein halbes Jahr vor der geplanten Landtagswahl verliert der SPD-Ministerpräsident Stephan Weil seinen knappen Rückhalt im Landtag, ja mehr noch: Die Opposition aus CDU und FDP stellt dort auf einen Schlag die Mehrheit.

Auslöser ist ein Provinzeklat, ein Machtkampf um die Spitzenkandidatur im Wahlkreis, den die Abgeordnete verlor. Aber Provinz kann wichtig sein. Sie hat das in diesem Wahljahr ja schon zur Genüge demonstriert. Im Zwergstaat Saarland kam der wundersame Aufstieg des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz jäh zum Halten, Schleswig-Holstein und NRW bremsten den Herausforderer vollends aus.

Lässt ihn Niedersachsen womöglich wieder, noch einmal hoffen? Auf den ersten Blick klingt der Gedanke absurd. Mit dem Knall in Hannover ist die letzte rot-grüne Regierung in einem Flächenland Geschichte. Das Modell hatte im aktuellen Parteiengefüge zwar ohnehin keine Zukunft. Aber für SPD wie für Grüne bot der Blick in die nordwestdeutsche Tiefebene bisher doch etwas Tröstliches: Es gab sie noch, die guten alten Wunschbündnisse, und nicht nur als Exotenfälle wie Bremen und Hamburg.

Anfangen kann die Opposition mit ihrer neuen Macht nichts

Nur gilt die neue Regel, dass alte Wunschbündnisse derzeit keine guten Karten haben, nicht nur auf der „linken“ Seite des Parteienspektrums. Für Union und FDP trifft sie ganz genauso zu. Womit wir bei den Chancen und Risiken wären, die der „bürgerlichen“ Seite ihre plötzliche Zufallsmehrheit in Hannover beschert. Um es vorweg zu sagen: Die Risiken sind weit größer.

Ernsthaft anfangen kann die Opposition in Hannover mit ihrer neuen Macht nämlich nichts. Die nächste Landtagswahl findet regulär am 14. Januar statt. CDU-Spitzenmann Bernd Althusmann könnte sich zwar zum Ministerpräsidenten wählen lassen – aber wozu? Zumal dem Seitenwechsel eines Abgeordneten, wie begründet er sein mag, immer etwas Anrüchiges anhaftet. Der Ruch überträgt sich schnell auf alle, die von diesem Seitenwechsel profitieren. SPD und Grüne tun jetzt schon das ihre, um ihn nach Kräften zu verstärken.

Der Noch-Ministerpräsident Weil aber weiß genau, warum er auf rasche Neuwahlen dringt. Und die SPD-Spitze in Berlin weiß es erst recht. Der nicht unbeliebte Weil gegen den recht unbekannten Althusmann, das ist zumindest ein offenes Rennen. Gewinnt der SPD-Mann, ist die sozialdemokratische Niederlagenserie aus dem Frühjahr gestoppt. Schafft es Weil gar, den Neuwahltermin vor den 24. September zu legen – was für ein Geschenk für seinen Kanzlerkandidaten!

Allein schon die Chance auf einen SPD-Sieg ein, zwei Wochen vor der Entscheidung in Berlin würde für neue Dynamik im Bundestagswahlkampf sorgen. Angela Merkel wird das Neumitglied Twesten im Stillen verfluchen. Ihr Herausforderer Schulz ist im Frühjahr in der Provinz gescheitert. Jetzt droht die Provinz im Herbst der Kanzlerin.

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