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Da schau her. Kanzlerin Merkel auf ihrer Energiereise begleitet von den Ministern Röttgen (l.) und Brüderle (r.).

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Debatte um Atomkraftwerke: Und läuft und läuft und läuft

Die Union streitet in der Debatte um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken über Jahreszahlen. Die Grünen spotten über die Vorgaben für das Energiegutachten.

Berlin - Eine Entscheidung will das Kabinett diese Woche zumindest schon treffen: Die Energiewirtschaft wird jährlich 2,3 Milliarden Euro aufbringen müssen, um den Bundeshaushalt zu entlasten. Am Mittwoch entscheidet das Kabinett über das Haushaltsbegleitgesetz, und ein Teil davon ist die von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagene Brennelementesteuer. Diese soll zwar nicht beschlossen werden, doch der Umfang des Budgetbeitrags der Energiewirtschaft soll auf jeden Fall festgezurrt werden. Dagegen geht der Streit um die Laufzeitverlängerung unvermindert weiter.

„Seitdem wir die Szenarien vorliegen haben, ist ja schon klar, dass eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke um zehn bis 15 Jahre uns wichtige Vorteile bringt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande einer Festveranstaltung in Berlin. „Insgesamt sind wir auf einem guten Weg.“ Zuvor hatte sie sich mit Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Schäuble im Kanzleramt getroffen, um das Vorgehen zu beraten. Herausgekommen sind nach Angaben aus Regierungskreisen ein Zeitplan, Arbeitsaufträge und diverse Arbeitsgruppen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher Joachim Pfeiffer (CDU) sagte dem „Hamburger Abendblatt“: „Das Gutachten belegt, dass eine Laufzeitverlängerung positive Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft hat. Das Motto lautet: je länger, desto besser.“ Unterstützt wird Pfeiffer vom energiepolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU). „Nachdem ich das Gutachten kenne, bin ich der Auffassung: eher länger als kürzer – eher 20 als zehn Jahre“, sagte er. Eine ähnlich lautende Pressemitteilung zogen Pfeiffer und der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs im Laufe des Tages dann allerdings wieder zurück, um „nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen“, wie es hieß.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Martin Faulstich, kritisierte das Energiegutachten. Es sei kein Szenario in Auftrag gegeben worden, „wie und bis wann denn das eigentliche Ziel, hundert Prozent erneuerbare Energien im Strombereich, erreicht werden könnte“, schrieb er in einem Gastbeitrag für „Zeit-Online“. „Eine Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren als ,fachlich vernünftig’ zu bezeichnen, wird dem wissenschaftlichen Sachstand nicht mehr gerecht“, schrieb er mit Blick auf entsprechende Äußerungen von Merkel.

Tatsächlich ist aus dem Energiegutachten des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI), Prognos und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) nur schwer ableitbar, worin die Vorteile von Laufzeitverlängerungen liegen. Denn signifikante Unterschiede bei den Strompreisen oder dem Kohlendioxidausstoß sind zwischen den verschiedenen Szenarien für Laufzeitverlängerungen nur schwer auszumachen. Leichte Preisvorteile gibt es nur in den Szenarien, die mit den niedrigen von Brüderle vorgegebenen Nachrüstkosten für Atomkraftwerke von 25 Euro pro Kilowatt Leistung und Jahr gerechnet wurden. „Wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der Sicherheit“, diagnostiziert die grüne Fraktionsvize Bärbel Höhn, die in dem Gutachten weitere aus ihrer Sicht eher rätselhafte Annahmen gefunden hat. Beispielsweise dass EWI/Prognos/GWS annehmen, dass die Energieeffizienz nur dann dramatisch zunimmt, wenn auch die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert werden. „Kauft die Bevölkerung zum Dank für Laufzeitverlängerung effizientere Elektrogeräte“, fragt der grüne Fraktionschef Jürgen Trittin. Er verlangt, dass die drei Institute dem Parlament erklären, wie sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind.

Ob die Energiekonzerne für alle Atomkraftwerke längere Laufzeiten in Anspruch nehmen wollen, wird vom Sicherheitsniveau abhängen, das die Regierung vorgibt. Umweltminister Röttgen verlangt, dass die Meiler mit einem, „gebäudetechnischen Schutz“ gegen den Absturz von Verkehrsflugzeugen und damit gegen Terrorangriffe nach dem Vorbild des 11. September ausgestattet werden. Das würde die sieben ältesten Atomkraftwerke und vermutlich auch die Anlage in Krümmel unwirtschaftlich machen. Das von Röttgen gewünschte Sicherheitsniveau wäre dann zwar noch weit von dem entfernt, was zwei Atomkraftwerke in Finnland und Frankreich aufzuweisen haben werden, wenn sie dereinst fertiggestellt sein werden. Doch zumindest das Niveau der mit rund 20 Jahren jüngsten deutschen Atomkraftwerke und einiger seither als unverzichtbar erkannten Sicherheitstechnologien würde erreicht. Dies entspricht etwa dem Niveau, das Röttgens Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) mit einem neuen kerntechnischen Regelwerk durchsetzen wollte, das dem Regierungswechsel zum Opfer fiel. mit dpa

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