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Bodo Ramelow findet, die DDR war ein Unrechtsstaat. So kann man ihn jedenfalls ausdeuten. Denn zu laut sagen will es der Thüringer Linke-Politiker auch nicht.

© dpa

Debatte um DDR als Unrechtsstaat: Die Linke vermasselt nicht nur sich selbst eine Chance

Durch ihren geschichtspolitischen Schlingerkurs in Thüringen beraubt die Linke nicht nur sich selbst einer Chance - sondern auch Sigmar Gabriel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Meisner

Die DDR ist nur noch zu bedauern. Jetzt wird dieses Land auch noch von Egon Krenz verteidigt. Das Wort „Unrechtsstaat“, so meint er, sei ein „Schmähbegriff“, erfunden, um die DDR zu delegitimieren.

Die Demokratie kann einen Egon Krenz aushalten. Schlimm ist, dass führende Kader der Linkspartei genauso reden, dass sie sich gemein machen mit der Denke des letzten SED-Chefs. Sie nehmen Rücksicht auf Ostalgiker, die sie unter ihrer Anhängerschaft in Scharen vermuten. Dabei müssten sie sich zusammenreißen – streben sie doch gerade in Thüringen eine gemeinsame Regierung mit SPD und Grünen an.

Vielleicht mal in den Duden schauen: Ein Unrechtsstaat ist ein Staat, in dem sich die Machthaber willkürlich über das Recht hinwegsetzen, in dem die Bürger staatlichen Übergriffen schutzlos preisgegeben sind. Wer wollte da beim Rückblick auf die DDR widersprechen? Oder es wenigstens so halten wie der Regisseur Leander Haußmann. Dem kommt „Unrechtssystem“ ohne Vorbehalte über die Lippen. Auch, wenn die DDR „in der Diktaturen-Olympiade“ nicht mal Bronze bekäme, wie er zu Recht hinzufügt.

Keiner will "Unrechtsstaat" in den Mund nehmen

Will die Linke vielleicht gar nicht regieren, will sie ihn gar nicht, den ersten linken Ministerpräsidenten? Der Eindruck drängt sich auf, wenn man sie alle so reden hört. Nicht nur die Sektierer von der Antikapitalistischen Linken und der Kommunistischen Plattform. Auch Bodo Ramelow hält den Begriff „Unrechtsstaat“ für eine Worthülse. Gregor Gysi, Wolfgang Gehrcke, Dagmar Enkelmann, fast alle, die in der Partei etwas zu sagen haben, machen mit und zerreden den in Erfurt erzielten Kompromiss zum Kapitel DDR. Der im Übrigen gar nicht schlecht ist, denn er ist in vielen Punkten sehr konkret: Er sieht eine bessere Unterstützung von ehemaligen DDR-Heimkindern vor, eine wissenschaftliche Aufarbeitung der DDR-Diktatur. Und, hübsch formuliert, eine „bauliche Ertüchtigung der Thüringer Opferstätten“.

Dabei ist der Kompromiss gut, den Linke, SPD und Grüne geschlossen haben

Heikel ist, dass laut dem Papier mit Organisationen, die das DDR-Unrecht relativieren, nicht zusammengearbeitet werden soll. Denn das trifft womöglich auf die Linke selbst zu: Die ehemalige Linke-Chefin Gesine Lötzsch meint, „Unrechtsstaat“ passe auch ganz gut auf die Bundesrepublik, wegen der Bankenrettung, dem Rentenunrecht und so weiter. Ja genau, Frau Lötzsch, das war die, die vor drei Jahren den 13. August 1961 mit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion erklärte. Ohne den Überfall hätte es auch keine Mauer gegeben, so ihre schräge Argumentation. Linke Logik: Alles hängt immer mit allem zusammen.

Für Sigmar Gabriel geht es um eine wichtige Option

Festzuhalten ist, dass sich für die Linkspartei eine Riesenchance aufgetan hat – die sie womöglich verspielt. Ein linker Ministerpräsident in Erfurt, im Amt trotz knapper Mehrheit, würde das Klima zwischen SPD, Grünen und Linken auch im Bund verbessern.

Für Sigmar Gabriel geht es um eine wichtige Option – wie will er sonst Kanzler werden? Und die Grünen: Schwarz-Grün können sie, zumindest in Hessen, aber können sie auch anders? Das sind die Trümpfe, die die Linke in Erfurt in der Hand hält. Noch. Für ihren geschichtspolitischen Schlingerkurs müsste sie eigentlich mit Opposition nicht unter fünf Jahren bestraft werden.

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