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Dürfen sich Kinder im Fasching als Indianer verkleiden - oder werden damit Stereotype bedient?

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Debatte um Faschings-Broschüre: Sind Indianer-Kostüme diskriminierend?

Eine Kindertagesstätte empfahl Eltern, Kinder zu Fasching nicht als Indianer zu verkleiden. Die „Native American Association of Germany“ findet das richtig.

Winnetou, Pocahontas und Yakari – wenn sich Kinder zu Fasching als Ureinwohner Amerikas verkleiden, orientieren sie sich an Bildern, die durch Filme, Comics und Wild-West-Shows geprägt sind. Eine Kindertagesstätte aus Hamburg bat nun Eltern, dass ihre Kinder sich zur Faschingsfeier nicht als Indianer verkleiden sollten, um "keine Stereotype" zu bedienen – was Carmen Kwasny befürwortet: "Es wird oft keine Rücksicht darauf genommen, dass die Vermittlung solcher Klischees verletzend ist. Daher begrüßen wir die Empfehlung", sagt die Vorsitzende des Vereins "Native American Association of Germany", der sich seit 25 Jahren für den Austausch zwischen Native Americans (auf Deutsch: amerikanische Ureinwohner) und Europäern einsetzt.

Dass im Karneval längst nicht alles erlaubt ist, hat auch Annegret Kramp-Karrenbauer erfahren müssen: Die CDU-Chefin hatte in der vergangenen Woche in einer Büttenrede einen Witz über Intersexuelle gemacht, was ihr nicht nur von Betroffenen übel genommen wurde. Zugleich gab es – vor allem in den sozialen Medien – Stimmen, die forderten, man solle es mit der politischen Korrektheit nicht übertreiben; ähnliches war auch in der Debatte um die Indianer-Kostüme zu lesen und zu hören.

Familienministerin Giffey ist gegen Kostüm-Vorgaben

Stein des Anstoßes ist eine Broschüre der "Fachstelle Kinderwelten für Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung", auf die sich die Hamburger Kindertagesstätte in ihrer Argumentation stützte. Gefördert wird die Fachstelle unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, wie das Ministerium dem Tagesspiegel bestätigte. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) erachtet Vorgaben für Faschingskostüme jedoch für nicht erforderlich. "Jedes Kind sollte das Kostüm wählen können, das ihm gefällt und nicht das, was bestimmten ideologischen Ansprüchen gerecht wird", sagt Giffey.

In der Broschüre der "Fachstelle Kinderwelten" heißt es: "Die sogenannten Indianer gibt es nicht und gab es nie. Der Begriff wurde im Zuge der Kolonialisierung Nord- und Südamerikas der damaligen Bevölkerung aufgezwungen." Das Verwenden von beispielsweise Federschmuck und Gesichtsbemalung als Verkleidung sei respektlos, weil es nicht in allen der vielen verschiedenen Stämme gebräuchlich war.

Ähnlich sieht es auch Kwasny: "Die Federhaube ist ein Ehrenzeichen für Würdenträger. Dass sie verkitscht wird, ist nicht in Ordnung", sagt die 54-Jährige, die sich schon als Kind für die Kultur der amerikanischen Ureinwohner begeisterte und deren Interesse nie abbrach. Sie findet, dass es selbstverständlich ist, dass man auf die Gefühle von anderen Kulturen Rücksicht nimmt – auch weil durch die sozialen Netzwerke alle Völker miteinander verbunden seien.

In den USA läuft die Debatte schon länger

Dass Indianer-Kostüme von manchen als verletzend empfunden wird, ist vor allem in den USA schon länger Gegenstand von öffentlichen Diskussionen. Die Tatsache, dass Maskottchen als Indianer auftreten oder Sportvereine ihre Wappen mit Indianer-Emblemen zieren, stößt auf immer stärkeren Widerstand – auch wenn die Gegenseite betont, dass sie die Ureinwohner damit ehren würde. "Das hat aber nichts mit Ehre zu tun", sagt Kwasny.

Vor allem nicht an Halloween, wenn sich immer wieder junge Frauen als "sexy Squaw" verkleideten. Ohnehin werde oft ein falsches Bild geschaffen: Das Indianergeheul habe es etwa nie gegeben, viele Nationen hätten keine Federn getragen oder in Tipis gehaust.

Grundsätzlich findet es Kwasny positiv, wenn sich Menschen mit der Kultur der amerikanischen Ureinwohner auseinandersetzen. Die Debatte um Indianer-Kostüme in Kindergärten und Schulen führe sie aber schon seit Jahren. Seit längerem stößt ihr Verein daher Projekte an, bei denen Kinder auf angeblich "richtige Indianer"  treffen und ihre wahren Rituale, Bräuche und Kleidung kennenlernen. Oft habe sie die Erfahrung gemacht, dass die Kinder im Anschluss keine Kostüme mehr wollten, sagt Kwasny,  "weil sie wussten, dass ihre Vorbilder ganz anders aussahen."

Helge Hommers

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