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Kinder singen gern und viel. Muss die Kita zahlen, wenn Erzieher mit den Kleinen Lieder singen?

© dpa

Debatte um Gebühr für Kitas: Die Gema sieht sich nicht als Krake

Die Gema will in Kitas Gebühren für das Singen von Kinderliedern eintreiben. Doch wie soll das überhaupt funktionieren und überschreitet die Rechte-Gesellschaft dabei ihre Kompetenz?

Wenn Kinder Lieder singen, denken sie nicht an Urheberrechte. Die Leiterinnen von Deutschlands Kitas offenbar auch nicht. Künftig sollen sie aber jährlich eine Lizenz erwerben, um Notenmaterial legal kopieren zu können, und außerdem genau notieren, welches Lied von den Kindern wann gesungen wurde. Das fordert die VG Musikedition, die die Rechte von Urhebern gedruckter Musik wahrnimmt. 36 000 Kitas im ganzen Land hat sie angeschrieben. Zwar gibt es bereits eine Geräte- und Betreiberabgabe, die jeder Importeur und Hersteller von Kopiergeräten zahlen muss. Die kommt aber nur Textautoren zugute. Das Kopieren von Noten hingegen ist eigentlich gesetzlich verboten, deshalb erhalten die Rechteinhaber (Komponisten, Textdichter, Musikverlage) keinen Anteil an der Abgabe. Weil aber trotzdem kopiert wird, hat die VG Musikedition mit Schulen und Kirchen pauschale Verträge abgeschlossen. Denn bei ihnen sind die Trägerstrukturen klar. Bei Kitas dagegen herrscht eine verwirrende Vielfalt an Trägern. Deshalb soll jetzt jede ihre eigene Pauschale bezahlen. Für 56 Euro im Jahr darf sie dann 500 Kopien machen.

Mit dem Schreiben hat die VG Musikedition die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte) beauftragt. Als größte deutsche Verwertungsgesellschaft besitzt sie nötige Infrastruktur, um die Forderungen auch einzutreiben. Im Gegensatz zur VG Musikedition ist die Gema ihrem Kerngeschäft nach nicht für gedrucktes Material, sondern für Aufführungen und Veranstaltungen zuständig. Sie sorgt dafür, dass Urheber von Musik, die in Clubs oder im Radio gespielt wird, Geld bekommen. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1903, als auf Betreiben von Komponisten wie Engelbert Humperdinck und vor allem Richard Strauss die „Anstalt für musikalische Aufführungsrechte“ gegründet wurde. Die Gema, wie wir sie heute kennen, entstand 1947. Komponisten, Textdichter und Verleger müssen bei ihr Mitglied werden, um in den Genuss der Ausschüttungen zu kommen.

Die rund 64 000 Mitglieder erhalten das Geld nicht konkret fürs Abspielen eines einzelnen Liedes, sondern pauschal nach einem komplizierten Verteilungsschlüssel, der sich zudem jedes Jahr ändert. „Das System füllt unser 400-seitiges Jahrbuch“, sagt Gema-Sprecher Peter Hempel. Zwei Beispiele: Spielt eine Band beim Auftritt einen Song, den sie nicht selbst geschrieben hat, erhält der Urheber zwischen 3,68 und 4,22 Euro. Für die Aufführung eines fünfzehnminütigen Streichquartetts bekommt der Komponist 51 Euro, bei einer Symphonie können es über 700 Euro sein. Wo kommt das Geld her? Die Clubbetreiber, Rundfunk- und Fernsehanstalten haben in der Regel Pauschalverträge mit der Gema abgeschlossen. Das muss auch jeder Veranstalter zum Beispiel von Weihnachtsmärkten. Die Veranstalter des Aachener Weihnachtsmarktes haben in diesem Jahr auf Musik verzichtet, weil die Gema statt der üblichen 4000 Euro plötzlich 12 000 Euro verlangt haben soll.

Dem häufig geäußerten Vorwurf, die Gema würde sich wie ein Krake in der Gesellschaft breitmachen, entgegnet Peter Hempel: „Wir können nicht mehr, als ständig über unsere Arbeit aufklären.“ Die Gema würde kein Geld für sich behalten, sondern nur an die Urheber weiterführen. Ganz stimmt das nicht. Denn allein für Verwaltungskosten der Gema, die knapp über 1000 Beschäftigte hat, wurden 2009 rund 130 Millionen Euro aufgebracht. Hempel betont aber: „Wir haben keinerlei Berührung mit Privatleuten. Sondern nur mit Veranstaltern, Firmen oder Ärzten, die in ihren Praxen Hintergrundmusik auflegen.“ Dennoch gibt es Kritik: „Die Gema ist ein Ärgernis, weil sie sich ständig neue Geschäftsfelder erschließt“, sagt Gerrit Schümann, Rechtsanwalt für gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte. „Sie schüttet die Gelder nur an ihre eigenen Leute aus, ist aber nicht zimperlich, wenn es darum geht, die Rechte von jemandem wahrzunehmen, der gar nicht bei ihr Mitglied ist.“ Das ist der Kern der Kritik: Der Veranstalter muss beweisen, dass der Urheber eines Liedes nicht bei der Gema ist.

Die Kita-Abgabe allerdings hält Gerrit Schümann für gerechtfertigt – solange in der Kita viele moderne Lieder gesungen werden. Kita-Betreuerinnen sollten also künftig genauer auf die Noten schauen: Lebt der Urheber noch oder ist sein Tod noch keine 70 Jahre her? Dann gilt das Urheberrecht, in der Musik genauso wie in der Literatur. „Yellow Submarine“ von den Beatles oder Stücke von Rolf Zuckowski fallen darunter. Nicht aber „Stille Nacht“, denn das haben Franz Xaver Gruber und Joseph Moor 1818 geschrieben. Zweitens ist wichtig, ob das Erscheinungsdatum der Noten 25 Jahre her ist. Dann erlöschen nämlich die Rechte des Verlages. Ist beides der Fall, kann man so viel kopieren, wie man will. Ansonsten, rät Schümann, sei es besser, die Pauschale zu bezahlen.

Der INA-Kindergarten im Virchow-Klinikum in Berlin gehört zwar nicht nicht zu den 36 000 Einrichtungen, die von der Gema angeschrieben wurden. Leiterin Rosemarie Schulz-Hornbostel ist dennoch fassungslos, als sie von den Gema-Plänen erfährt. Es würden nie die Noten kopiert, sondern nur die Texte. Wenn es für ältere Lieder keine Gema-Gebühren mehr gebe, so helfe das den Kitas wenig. „Alte Lieder haben sowieso oft eine Sprache, die nicht mehr geläufig ist“, sagt sie. Dagegen würden neue Kinderlieder, wie etwa die von Detlev Jöcker, den Kindern sehr gut gefallen, da Themen aus ihrer unmittelbaren Umgebung wie Familie und Tiere aufgegriffen werden, und sie interaktiver sind. Die Texte würden oft nur kopiert, damit bei Festen Eltern mitsingen können oder damit die Kinder zu Hause auch mit ihren Eltern üben können.

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