zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhält sich am 11.12.2017 zu Beginn der Fraktionssitzung der CDU/CSU im Reichstagsgebäude in Berlin mit Fraktionschef Volker Kauder.

© Wolfgang Kumm/dpa

Debatte um Minderheitsregierung: Die Union will die Mehrheit

Einer Minderheitsregierung wollen weder CSU noch CDU-Chefin Merkel zustimmen – dann schon lieber Neuwahlen im Sommer.

Von Robert Birnbaum

Für die Liebhaber einer Minderheitsregierung in der CDU ist der Montag ein schlechter Tag. Erst stellt sich der CSU-Landesgruppenchef klar gegen alle, die der Union ein Regieren mit wechselnden Mehrheiten andienen: „Die Minderheitsregierung hat einen ganz erheblichen Nachteil“, sagt Alexander Dobrindt, „nämlich, dass die Opposition die Mehrheit hat.“ Dann macht Angela Merkel der Idee auch noch den Garaus. Die CDU, erklärt die CDU-Vorsitzende nach Beratungen der Parteiführung, strebe „stabile Regierungsverhältnisse“ gemeinsam mit den Sozialdemokraten an. Und eine Minderheitsregierung sei eben keine stabile Regierung. Ob das denn alle jetzt so sähen, fragt jemand nach. „So war heute die Einigkeit“, sagt Merkel.

Dass die Debatte damit zu Ende ist, glaubt sie wahrscheinlich trotzdem selber nicht. Das liegt daran, dass diese Debatte wenig mit der Sache selbst zu tun hat. Eine Minderheitsregierung offensiv einzufordern, wie es der CDU-Wirtschaftsrat tut, oder zumindest als Variante für den Fall im Spiel zu halten, dass nach Jamaika auch die Sondierungen zu einer großen Koalition scheitern, wie es etwa der CDU-Präside Jens Spahn tut, ist nur eine neue Chiffre für alle, die auf ein Ende der Ära Merkel setzen.

Selbst solche CDU-Spitzenleute, die nicht leichtfertig zu Verschwörungstheorien neigen, glauben da inzwischen an eine koordinierte Aktion. Seit der Einigung zwischen CDU und CSU eignet sich die Flüchtlingspolitik schließlich nicht mehr so recht dazu, Distanz zur Chefin zu markieren. Das wurde spätestens am Sonntagabend deutlich. Der CDU-Vorstand traf sich im Konrad-Adenauer- Haus, um endlich die seit Langem versprochene Wahlanalyse nachzuholen. Solche Sitzungen hat es auch nach früheren Wahlen schon gegeben. Sie sorgten aber regelmäßig für schlechte Laune, weil die von der Parteichefin eingeladenen Demoskopen stets zu dem Schluss kamen, dass irgendwie alles richtig gelaufen sei.

Merkel denkt gar nicht daran, bei Neuwahlen eventuell nicht anzutreten

Diesmal waren keine Demoskopen geladen, und weder Merkel selbst noch ihre getreuesten Knappen behaupteten, dass alles richtig gelaufen war. Noch in Merkels öffentlichem Kurzbericht klingt Selbstkritik an: Bei dem historisch schlechtesten Wahlergebnis habe „eine sehr große Rolle“ gespielt, dass die Menschen nicht davon überzeugt gewesen seien, dass die Steuerung der Migration schon gelungen sei. Merkel will zwar ihren viel kritisierten Satz am Tag nach der Wahl nicht zurücknehmen, dass sie nicht wisse, was sie im Wahlkampf hätte anders machen müssen. Aber sie räumt jetzt immerhin ein: „Es ist einfach so, dass es eine Reihe offener Flanken gab.“

Dazu gehörte – was intern auch zur Sprache kam –, dass die CDU keine Antwort auf die Kritik von Bürgern hatte, dass für Flüchtlinge schlagartig Geld da gewesen sei, für marode Straßen, bessere Altenpflege oder mehr Polizisten aber nicht. Nicht zufällig stellt Merkel „Sicherheit“ im umfassenden Sinne heute weit oben auf die Agenda der Fragen, die mit der SPD in den Sondierungsgesprächen ab Mittwoch behandelt werden müssten.

„Zügig“ müssten diese Gespräche geführt werden, sagt die Kanzlerin: „Die Welt wartet eigentlich darauf, dass wir agieren können.“ Auch andere Unionspolitiker warnen die SPD vor der Vorstellung, dass man jetzt erst mal wochenlang darüber palavern werde, ob die alten Regierungspartner eventuell aufs Neue zueinanderfinden könnten. CDU-Vize Julia Klöckner warnt vor einem „Zermürbenwollen“. Saar-Chefin Annegret Kramp- Karrenbauer zeigt zwar gewisses Verständnis für den Weg der SPD vom Nein übers Vielleicht zum Ja, findet aber auch, in der Sache könne es schnell gehen.

Dobrindt, der für die CSU mit Parteichef Horst Seehofer die Sondierungen führt, setzt Ende Januar als Zieldatum, bis zu dem das Ob einer Koalition klar sein sollte. Eine Minderheitsregierung werde es höchstens für den Übergang geben – bis zu Neuwahlen dann im Sommer.

Ein schlechter Tag eben für Freunde einer Minderheitsregierung. Zumal Merkel deutlich macht, dass sie gar nicht daran denkt, bei eventuellen Neuwahlen nicht mehr anzutreten. Sie habe am Tag nach der Bundestagswahl gesagt, dass sie für vier Jahre zur Verfügung stehe: „Erkennbar sind die ja noch lange nicht um.“

Zur Startseite