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Politik: Debatte um neues Wahlrecht

Berlin - Die kleinen Parteien warteten schon gespannt darauf, wann die Debatte beginnen würde: Braucht Deutschland jetzt das Mehrheitswahlrecht? In beiden großen Parteien, die nun auf Augenhöhe verhandeln und zusammen gut zwei Drittel der Wähler repräsentieren, hat das Mehrheitswahlrecht – in den Bundestag käme danach nur der jeweilige Sieger in einem Wahlkreis – immer schon Anhänger.

Berlin - Die kleinen Parteien warteten schon gespannt darauf, wann die Debatte beginnen würde: Braucht Deutschland jetzt das Mehrheitswahlrecht? In beiden großen Parteien, die nun auf Augenhöhe verhandeln und zusammen gut zwei Drittel der Wähler repräsentieren, hat das Mehrheitswahlrecht – in den Bundestag käme danach nur der jeweilige Sieger in einem Wahlkreis – immer schon Anhänger. Zu denen gehört der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Wegen der „Zersplitterung des Parteienwesens und im Interesse einer größeren Stabilität des politischen Systems“ befürworte er eine solche Wahlrechtsänderung, hat er der „Welt“ gesagt.

Zu den Anhängern des Mehrheitswahlrechts gehören auch der gerade pensionierte Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch und der als Parteienkritiker bekannte Staatswissenschaftler Hans Herbert von Arnim. Auch in der Wirtschaft sitzen viele Befürworter dieses Wahlrechts, das auch bei der Wahl zum britischen Unterhaus gilt. Auf Ablehnung stößt es naturgemäß bei FDP, Grünen und Linkspartei/PDS. Die wären im Bundestag praktisch kaum noch vertreten.

Gemeinhin gilt, dass das Mehrheitswahlrecht für stabile Verhältnisse sorgt. Hätte es seit 1949 gegolten, hätte es in der Mehrzahl der Wahlperioden in der Tat große Mehrheiten für eine Seite gegeben – vor allem für die Union, die von 1953 bis 1961 und von 1983 bis 1998 sogar die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit gehabt hätte. Die SPD hätte dagegen nur 1972 und 1998 annähernd eine solche Dominanz erreicht. Und sie hätte schon 1976 die Regierung wieder der Union überlassen müssen, weil die mit 134 zu 114 Direktmandaten vorne lag – dank dem Verhältniswahlrecht konnte die SPD aber die Koalition mit der FDP fortsetzen. Und das Mehrheitswahlrecht hat auch seine Tücken: Zweimal – 1969 und 1980 – wäre sogar die nach Stimmen insgesamt schwächere Partei Wahlsieger gewesen. Bei beiden Wahlen lag die SPD hinter der Union, hatte aber mehr Direktmandate. Und nicht immer wären Mehrheiten klar: Bei der Wahl in diesem Jahr liegt die Union mit 150 Sitzen nur um einen über der Mehrheit, SPD (145), Linke (3) und Grüne (1) kämen auf 149 Mandate. Da bei jedem Ausscheiden eines Abgeordneten eine Nachwahl ansteht, könnte diese Mehrheit schnell weg sein.

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