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Demonstration für die Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a

© imago/epd/Rolf Wegst

Update

Debatte um Paragraf 219a: Katholische Kirche und verurteilte Ärztin kritisieren Kompromiss

Werbung für Abtreibungen bleibt verboten. Doch die Bundesregierung einigt sich im Streit um Paragraf 219a auf einen Kompromiss - der aber stößt auf Kritik.

Frauen sollen sich künftig einfacher über Möglichkeiten für einen Schwangerschaftsabbruch informieren können. Das sieht ein Referentenentwurf vor, auf den sich die Bundesregierung nach langem Streit um das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen verständigt hat. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Den Referentenentwurf können Sie hier lesen.

Das Werbeverbot selbst bleibt demnach bestehen, der Paragraf 219a wird aber ergänzt. Ärzte und Klinken dürfen demnach öffentlich - zum Beispiel auf der eigenen Internetseite - darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Sie sollen zugleich auf weitere Informationen neutraler Stellen dazu hinweisen dürfen, etwa durch Links auf ihrem Internetauftritt.

Die Bundesärztekammer soll außerdem eine zentrale Liste mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen führen, die Abbrüche vornehmen - mit Angaben zu angewandten Methoden. Die Liste soll monatlich aktualisiert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Internet veröffentlicht werden.

Außerdem sollen junge Frauen die Verhütungspille künftig zwei Jahre länger, bis zum 22. Geburtstag, von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Das helfe jungen Frauen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der dpa. „Ich halte das im Rahmen des gefundenen Kompromisses für eine gute Ergänzung.“

Die FDP wertete die Einigung als „Kotau der SPD vor dem Koalitionspartner“. Der Paragraf 219a werde nur um eine minimale Ausnahme ergänzt, kritisierte Fraktionsvize Stephan Thomae. „Ärzte dürfen auch weiterhin nicht entscheiden, wie sie Schwangere informieren. Das ist ein Misstrauensbeweis gegenüber den Ärzten.“ Der Entwurf sei nur ein minimaler Fortschritt für die Frauen. „Die beste Lösung wäre es gewesen, wenn der Paragraf 219a direkt gestrichen worden wäre“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Dienstag in Berlin. Der Kompromiss der großen Koalition sei „in Teilen unklar“ - nämlich ob Ärzte künftig straffrei blieben, wenn sie „umfassend auf ihrer Homepage informieren“, kritisierte Hofreiter. Die Koalition müsse nachbessern, sonst sei es „eine vertane Chance, um Frauen in Not zu stärken und Ärztinnen und Ärzte in ihrer Berufsausübung zu unterstützen“.

Ärztin: Staatliche Zensur besteht weiterhin

Die wegen Werbung für Abtreibungen verurteilte Gießener Ärztin Kristina Hänel hat die Einigung der Bundesregierung auf eine Ergänzung der Rechtslage kritisiert. Der umstrittene Paragraf 219a bleibe unter dem Strich bestehen, sagte Hänel am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Frauen haben ein Recht auf Information und das ist weiterhin verboten. Das ist eine staatliche Zensur“, sagte Hänel. Dies sei so nicht hinnehmbar.

Ärzte und Kliniken sollen künftig öffentlich - zum Beispiel auf der eigenen Internetseite - darüber informieren können, dass sie Abtreibungen vornehmen. Sie sollen zugleich auf weitere Informationen neutraler Stellen dazu hinweisen dürfen. Hänel sagte, dies sei zwar ein kleiner Schritt nach vorne, der erlaubte Korridor an Informationen aber viel zu eng.

Die Informationen, die sie auf ihrer Homepage bereitgestellt habe, seien weiterhin strafbar. Sie werde deshalb den Rechtsstreit wie geplant in die nächste Instanz tragen - das ist das Frankfurter Oberlandesgericht. Der Paragraf greife in ihre Meinungs- und Berufsfreiheit ein, sagte Hänel. Die Ärztin war vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche als Leistung angeboten hatte. An ihrem Fall hatte sich die Debatte entzündet.

Frauen wollten sich dort informieren, wo sie sich behandeln ließen, das sei auch das allgemein übliche Vorgehen. „Es gibt überhaupt keinen Grund, an dieser Stelle eine Sonderregelung zu machen“, sagte Hänel. Das hinter Paragraf 219a stehende Frauenbild sei entwürdigend und entmündigend, denn es besage, Frauen könnten durch Informationen für einen Schwangerschaftsabbruch geworben werden. „Das ist ein Paragraf, der von seiner Intention her dafür angelegt ist, zu stigmatisieren, auszugrenzen, zu tabuisieren und Fachleute zu kriminalisieren“, sagte Hänel. Nun bleibe er im deutschen Strafgesetzbuch bestehen.

Katholische Kirche: Änderung ist "überflüssig"

Die katholische Kirche hält die geplante Änderung des Werbeverbots für Abtreibungen für „überflüssig“. Frauen könnten „bereits heute vielfältige Informationen aus unterschiedlichsten Informationsquellen erhalten“, sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.

Kopp erklärte, zentraler Bestandteil des Konzepts zum Schutz des ungeborenen Lebens sei eine gute Beratung von Frauen in Konfliktlagen, die selbstverständlich alle notwendigen Informationen einschließen müsse. „Die jetzt geplanten Listen, die über die Ärzte und Methoden des Schwangerschaftsabbruchs informieren sollen, wären nach unserem Dafürhalten am besten im geschützten Raum der Beratung aufgehoben“, so der Sprecher der Bischofskonferenz weiter: „Da die Beratung für den Schwangerschaftsabbruch verpflichtend ist, wäre auch gewährleistet, dass alle Frauen Zugang zu diesen Informationen erhielten.“

Das Katholische Büro in Berlin, das die Bischofskonferenz in der Bundespolitik vertritt, habe die Gelegenheit erhalten, zu dem Entwurf schriftlich Stellung zu nehmen und werde dies auch tun, ergänzte Kopp.

Werbung umstritten

Die große Koalition hatte monatelang heftig über Paragraf 219a des Strafgesetzbuches gestritten, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. Demnach macht sich strafbar, wer „seines Vermögensvorteils wegen“ öffentlich Abtreibungen anbietet. Die SPD hatte - wie Grüne, Linke und FDP - eine Abschaffung des Verbots gefordert, die Unionsseite wollte das nicht.

Im Dezember handelten die fünf zuständigen Minister einen Kompromissvorschlag aus, der aber nicht alle Kritiker zufrieden stellte. Auf diesen Kompromiss baut der Gesetzentwurf nun auf.

„Wir stellen sicher, dass betroffene Frauen in einer persönlichen Notsituation an die Informationen gelangen, die sie benötigen“, sagte Justizministerin Katarina Barley (SPD) der dpa. Die neue Vorschrift sorge zudem für Rechtssicherheit für die Ärzte, betonte Familienministerin Franziska Giffey (SPD). „In Zukunft wird jede Ärztin und jeder Arzt in Deutschland über die Tatsache informieren dürfen, dass er oder sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Der Referentenentwurf wird nun innerhalb der Bundesregierung weiter abgestimmt und mit Ländern und Verbänden beraten. Am 6. Februar soll das Kabinett den Gesetzentwurf verabschieden.

(dpa)

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