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Vermögende sollen für die Krise zahlen, findet die Opposition.

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Debatte um Vermögensabgabe: Opposition: Reiche sollen Schuldenkrise bezahlen

Zum Abbau der Schulden wollen Spitzenpolitiker von SPD und Grünen Vermögende stärker in die Pflicht nehmen. Nordrhein-Westfalen kauft unterdessen Daten mutmaßlicher Steuerbetrüger aus der Schweiz.

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In der Politik mehren sich Forderungen, Vermögende zur Bewältigung der Schuldenkrise stärker zu belasten. Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, fordert neben weiteren Sparanstrengungen den Abbau von Subventionen und die Stärkung der Einnahmen. „Wir wollen Vermögende durch eine Vermögensabgabe stärker zum Schuldenabbau heranziehen“, sagte der Politiker dem Tagesspiegel. Mit Blick auf die staatlichen Subventionen frage er sich, ob es klug sei, „dass wir den Erwerb eines mittelschweren Geländewagens zum Umherkurven in der Stadt mit bis zu 15 000 Euro Steuermitteln finanzieren? Ist es vernünftig, Skilifte bei der Mehrwertsteuer zu bevorzugen? Diesen ganzen Unsinn müssen wir durchforsten.“

Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner griff den Vorschlag einer Zwangsanleihe des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf. „Der Charme an einer Zwangsanleihe liegt darin, dass sie nur Leute betrifft, die es sich leisten können“, sagte Stegner der Zeitung „Welt am Sonntag“. Damit könnten sehr hohe Mittel mobilisiert werden.

Spitzenpolitiker der schwarz-gelben Koalition schlossen dagegen höhere Steuern wegen der Schuldenkrise aus. „Steuererhöhungen – ganz gleich, welcher Art – kommen für die Union nicht infrage“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) dem Blatt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die Staatsfinanzen müssten über die Konsolidierung auf der Ausgabenseite saniert werden. „Diesen Weg ist Deutschland in den letzten Jahren sehr konsequent gegangen.“ FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, höhere Belastungen wären „gerade in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation kontraproduktiv“. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe schließt eine Zwangsabgabe für Reiche vorerst ebenfalls aus. "Ein derartiger Lastenausgleich ist allenfalls ein Mittel für Notsituationen - davon ist unser Land weit entfernt“, sagte Gröhe der Tageszeitung „Die Welt“

Für Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) geht das Modell einer Zwangsanleihe für Reiche zur Sanierung von Staatshaushalten „in die richtige Richtung“. Wer mehr finanziell leisten könne, müsse auch mehr zur Kasse gebeten werden, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Die Zwangsabgabe sollten wir weiter diskutieren. Weltweit tragen die Reichen fast nirgendwo so wenig zum Staatshaushalt bei wie in Deutschland“, fügte der SPD-Politiker hinzu.

Nach Ansicht des neuen Berliner SPD- Chefs Jan Stöß sollen sich der Bund und die Bürger am Abbau der hohen Altverschuldung der Länder beteiligen. „Ich unterstütze den Vorschlag meines Hamburger Kollegen Olaf Scholz, den Solidaritätszuschlag 2019 nicht abzuschaffen, sondern diese jährlich rund zwölf Milliarden Euro für die Tilgung der Länderschulden einzusetzen“, sagte Stöß.

NRW-Behörden kaufen weitere Steuer-CD

Vermögende sollen für die Krise zahlen, findet die Opposition.
Vermögende sollen für die Krise zahlen, findet die Opposition.

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Derweil haben die nordrhein-westfälischen Behörden nach Informationen des Tagesspiegels eine weitere CD mit brisanten Kontodaten von Steuerhinterziehern gekauft. Betroffen sind Kunden einer Tochtergesellschaft der Royal Bank of Scotland, die ihr Geld bei der Coutts Bank in Zürich angelegt haben. Nach umfangreichen Prüfungen halten die Behörden die CD jetzt in Händen, darauf befinden sich offensichtlich die Daten von mindestens 1000 deutschen Steuerpflichtigen, die ihr Geld am Fiskus vorbei ins Ausland geschleust haben. Der neuerliche Ankauf führt zu politischen Verwicklungen mit der Schweiz, zumal jetzt unwahrscheinlicher wird, dass das ausgehandelte Steuerabkommen wie geplant zum Jahreswechsel 2012/13 in Kraft tritt.

Die Ermittler haben die Daten seit Monaten geprüft und intensiv über den Preis verhandelt. Schon im vergangenen Herbst waren Gerüchte am Markt aufgetaucht, die nordrhein-westfälischen Behörden hätten Informationen über vermögende Kunden der feinen Privatbank Coutts mit Sitz in Zürich angeboten bekommen. Das Bankhaus verwaltet die Gelder für besonders Wohlhabende im In- und Ausland, selbst die britische Queen zählt zum Kreis derjenigen, die Coutts ihre Ersparnisse anvertrauen.

Die Daten wurden von den Behörden umfassend geprüft, sie haben dafür nach Medienberichten 3,5 Millionen Euro bezahlt. Nach der Einschätzung von Insidern ist dies angesichts der erstaunlich guten Datenqualität gerechtfertigt. Die zu erwartenden Steuernachzahlungen sind bisher nicht einmal zu schätzen, sie dürften um ein Vielfaches über dem Kaufpreis liegen.

Das Düsseldorfer Finanzministerium hat Anfragen zum Sachverhalt – wie in der Vergangenheit auch – weder bestätigt noch dementiert. Die Behörden haben allerdings nicht ohne politische Rückendeckung gearbeitet; selbst das Bundesfinanzministerium war in die Vorgänge eingebunden. Mit dieser Aktion unterstreicht die rot-grüne Landesregierung aus NRW, dass sie dem vorliegenden Steuerabkommen mit der Schweiz nicht zustimmen wird. Der Vertrag ist bisher von der Schweiz und der deutschen Bundesregierung akzeptiert worden, das Abkommen liegt aber im Bundesrat auf Eis. „Die Steuersünder kommen zu billig davon, außerdem lassen wir uns das Instrument des Ankaufs von Daten nicht verbieten oder erschweren“, hat dazu in der Vergangenheit der sozialdemokratische Finanzminister aus Düsseldorf, Norbert Walter Borjans, stets betont.

Die Schweiz ist verärgert

Die Eidgenossen reagierten mit Verärgerung auf den Kauf der Steuersünder-CD. Mit der Unterzeichnung ihres Steuerabkommens hätten sich Berlin und Bern im September 2011 verständigt, auf den Kauf gestohlener Daten zu verzichten, erklärten Schweizer Politiker und Wirtschaftsvertreter.

„Beide Vertragspartner sind an das Abkommen gebunden, solange der Ratifizierungsprozess läuft“, sagte Mario Tuor, Sprecher des zuständigen Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF), der in Zürich erscheinenden „Sonntagszeitung“. Die Schweizer Bankiervereinigung verlangte, Ankäufe von Steuerdaten-CDs zu unterbinden. „Sie sind illegal“, sagte Banken-Sprecher Thomas Sutter der „Sonntagszeitung“. Der Fraktionsvorsitzende der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), Urs Schwaller, erklärte: „Ich habe absolut kein Verständnis dafür,wenn sich ein Staat als Hehler betätigt. Das ist eines Rechtsstaatsunwürdig.“

Der Präsident der Handelskammer Deutschland-Schweiz, Eric Sarasin, glaubt an rein politische Motive: NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) wolle die Ratifizierung des Steuerabkommens in
Deutschland torpedieren. (mit dapd/dpa/AFP)

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