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„Flexibilität ist die Herausforderung der Energiewende“

© dpa

Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Gesucht wird: Verlässlicher Partner von Sonne und Wind

Nach einer Übergangsphase werden immer mehr nicht-fossile Flexibilitätsoptionen eine Rolle spielen. Biomassestrom wird darin genauso seinen festen Platz haben, wie Langzeitspeicher in Form von Power to Gas, ist Eva Bulling-Schröter (Die Linke) überzeugt. Ein Debattenbeitrag.

Die alte Energiewelt war geteilt in Strom, Wärme und Mobilität. Diese Unterschiede werden künftig verschwimmen. Auflösen wird sich im Verlauf der Energiewende auch die Kategorie „Grundlast“ bei der Elektrizitätsversorgung. Zur entscheidenden Kategorie wird die „gesicherte Leistung“. In dieser Welt ist „Flexibilität“ die harte Währung. Denn nur sie kann die Versorgungssicherheit zu erschwinglichen Preisen herstellen: In einem System, das irgendwann vollständig regenerativ sein soll, werden Windkraft und Fotovoltaik das Rückgrat der Erzeugung bilden. Abhängig von Wetter und Tageszeiten brauchen sie Gegenspieler, die jederzeit die Erzeugungslücken füllen und Überschüsse aufnehmen. Diese Gegenspieler ermöglichen Flexibilität im Strommarkt. Sie herzustellen, ist die eigentliche Herausforderung der Energiewende.

Eva Bulling-Schröter, Energie- und Klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke
Eva Bulling-Schröter, Energie- und Klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke

© Bulling-Schröter

Wir haben derzeit in Deutschland einen Anteil von erneuerbaren Energien von über einem Viertel. Strom aus Sonne und Wind bestimmt immer stärker das Energiesystem. Kohle- und Atommeiler müssen zunehmend flexibel eingesetzt werden. Bei Starkwind oder mittags, wenn die Sonne am stärksten scheint, müssen sie immer öfter und schneller herunter geregelt werden. Zu anderen Zeiten ist fast die volle Nachfrage zu bedienen, etwa an Winterabenden mit Windflaute. Tendenziell sinken aber die Einsatzstunden der Atom- und Kohlekraftwerke und folglich ihre Rentabilität. Nur der seit Jahren steigende Stromexport verhindert, dass daraus auch mehr Klimaschutz erwächst. Gäbe es die Möglichkeit des Exports nicht, müssten die ineffizientesten Kohlekraftwerke schon jetzt vom Netz. So aber können sie mit schmutzigem Strom Europa fluten, unter anderem weil der EU-Emissionshandel versagt.

Die ungebremste Kohleverstromung vermindert auch die Auslastung und Rentabilität von Gaskraftwerken und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die von den Betreibern teilweise stillgelegt werden. Genau diese werden aber für die Energiewende benötigt, da sie emissionsarm und schnell regelbar, also flexibel sind. Dies alles sind Gründe, warum es für Deutschland ein Kohleausstiegsgesetz braucht, wie es die Bundestagsfraktion Die Linke mehrfach vorgeschlagen hat. Danach sollten Kohlekraftwerke nach einem Abschaltplan schrittweise stillgelegt werden. Und zwar sofort beginnend, bis spätestens 2040 das letzte vom Netz geht.

Im Übergang sollte Flexibilität in der Ablösung der Kohle stärker durch Erdgas bereitgestellt werden, immer mehr werden dann aber nicht-fossile Flexibilitätsoptionen übernehmen. Der regelbare Biomasse-Strom hat da natürlich einen festen Platz. Für die Versorgungssicherheit sind auch Instrumente wie Lastmanagement und intelligente Netze weiter zu entwickeln. Strom-Speicher werden in den nächsten Jahren vielmehr Aufgaben bei Netzsystemleistungen erfüllen. Erst ab einem Anteil von 60 Prozent erneuerbarer Energie, wird es nicht mehr genug fossile und Biogas-Kraftwerke geben, die die dunklen Flauten überbrücken können. Spätestens dann muss in Saisonspeichern eingelagerter Ökostrom angezapft werden. Für solche Langzeitspeicher kommen ab Ende des nächsten Jahrzehnts das in Entwicklung befindliche System „Power to Gas“ (PtG) und/oder skandinavische Stauseen in Betracht. Power to Gas, das aus Ökostromüberschüssen Wasserstoff oder Methan macht, versorgt dann nicht nur in der Dunkelflaute. Es stellt zugleich auch Brennstoff für Busse, Autos und Gebäude zur Verfügung.

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Flexibilität wird also irgendwann - gleichsam wie konvertierbare Währung Wirtschaftsgebiete verbinden - die Märkte für Elektrizität, Raumwärme und Bewegungsenergie zusammen bringen. Zu einem nicht unerheblichen Umfang geschieht das bereits heute, und zwar über die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Sie produziert hocheffizient Strom und Wärme zugleich. Nun kommt es darauf an, die KWK soweit wie möglich stromgeführt zu fahren, um sie energiewendedienlicher zu machen. Dafür müssen in der laufenden KWK-G-Novelle die Weichen gestellt werden.

Eva Bulling-Schröter ist Energie- und Klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und stellv. Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.

Alexandra Langenheld: Mehr "Flex-Efficiency" für den Strommarkt

Julia Verlinden: Die neue Energiewelt – Flexibilität im Strommarkt als Schlüssel

Hildegard Müller: Die Energiewende braucht intelligente Lösungen

Hendrik Köstens: Die Rolle der Flexibilität im Strommarkt der Zukunft - Eine Einführung in die Debatte

Eva Bulling-Schröter

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