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„Schnelle Speicher sind der Schlüssel zum Umbau des Energiesystems“

© dpa

Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Speicher statt Kohle

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn auch ohne große Kraftwerke Strom stabil zur Verfügung gestellt werden kann. Clemens Triebel (Younicos AG) unterstreicht vor diesem Hintergrund die Bedeutung von Hochleistungsspeichern und fordert, Systemdienstleistungen auf der Grundlage von Schnelligkeit und Präzision zu bezahlen. Ein Debattenbeitrag.

Langsam aber sicher kommt die Energiewende an den Punkt, an dem wir uns endgültig entscheiden müssen, was wir für ein Energiesystem wollen: Ein dekarbonisiertes, auf dezentralen, sauberen, aber eben teils schnell fluktuierenden Wind- und Solarenergieanlagen basierendes? Dann brauchen wir jetzt schnell regelbare Ausgleichsleistung und flexible Kraftwerke und langfristig, also ab 2030 bis 2040, auch Langzeitspeicher. Oder aber wir bleiben beim CO2-intensiven, zentral organisierten, inflexiblen System. Dann brauchen wir weiterhin alle fossilen Mittel- und Spitzenkraftwerke, die die starren “Grundlast“-Braunkohlekraftwerke schnell ergänzen können. Beide Systeme gleichzeitig zu behalten ist nicht nur technisch widersinnig, es ist auch – wenig überraschend – mindestens doppelt so teuer.

Schnelle Speicher sind der Schlüssel zum Umbau des Energiesystems

Wenn wir aber die Energiewende erfolgreich voranbringen wollen, müssen wir schleunigst damit anfangen, das alte Energiesystem in dem Maße kleiner werden zu lassen, wie das neue wächst. Der Schlüssel dazu sind Speicher, vor allem schnell regelnde Kurzzeitspeicher.

Clemens Triebel, Mitbegründer und Chief Visionary Officer der Younicos AG
Clemens Triebel, Mitbegründer und Chief Visionary Officer der Younicos AG

© Younicos

Wieso? Ganz einfach: Die bisherige „Architektur“ des Stromnetzes ist auf fossile oder nukleare Dampfkraftwerke ausgerichtet. Sie halten mit ihren - sehr großen - rotierenden Massen das Stromnetz bei kurzfristigen Schwankungen von Erzeugung und Verbrauch stabil. Genauer: Die Trägheit dieser rotierenden Massen dient als Puffer, der abrupte Schwankungen „wegdrücken“ kann. Das gibt den Kraftwerksbetreibern gerade genug Zeit, um die Produktion an Änderungen im Bedarf anzupassen.

Der Haken: Um ein paar Prozentpunkte nach oben oder unten regeln zu können, müssen die Generatoren mindestens mit 60 Prozent ihrer Leistung laufen. Allein um die Frequenz auf 50 Herz, und so das Stromnetz stabil zu halten, laufen – Windrad hin, Solardach her – in Deutschland zu jedem Zeitpunkt mindestens 25 Gigawatt konventionelle Kraftwerke mit. Wenn die Last niedrig ist, das „Energiewetter“ aber gut, drücken wir den überschüssigen Strom eben in die Netze unserer Nachbarn – die davon, verständlicherweise, immer weniger begeistert sind.

Das ist im Übrigen wahrscheinlich auch der einzige Grund, warum wir überhaupt schon um die 30 Prozent erneuerbare Energien haben können. Das geht nur, weil Deutschland Teil des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes ist, in dem von Lissabon bis zur Ostgrenze der EU, von Jütland bis Sizilien eine Frequenz herrscht. Und in diesem Netz haben wir erst 7 bis 8 Prozent fluktuierenden Wind- und Sonnenstrom. Wie sollen wir diesen Anteil, wie von der EU gefordert, bis 2020 auf 20 Prozent steigern, wenn wir heute schon Probleme haben?

Die Lösung ist relativ einfach. Unsere Firma Younicos hat seit 2005 den Effekt von Speichern sowohl auf Insel- als auch in großen Verbundnetzen (wie dem Europäischen) untersucht. Die Ergebnisse zeigen ein ums andere Mal: Um den Grünstromanteil signifikant zu erhöhen, muss man Energie gar nicht so irrsinnig lange zwischenspeichern. Auf Inseln etwa lässt sich schon mit einem „Energie-Rucksack” von 1,5 Stunden der Jahresanteil von Erneuerbaren auf knapp 60 Prozent erhöhen. Speicher im Bereich von Minuten reichen bereits, um den auf Inseln typischen Dieselgenerator teilweise ganz auszuschalten. Und was auf Inseln gilt, gilt in größeren – und damit stabileren – Verbundnetzen erst recht.

Denn: Anders als man vielleicht vermuten würde, ist es relativ egal, dass nachts die Sonne nicht scheint und manchmal Flaute ist. Beides kann man gut vorhersehen und somit auch kontrollieren. Schließlich fahren Kraftwerke schon heute nach Plan. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Böe, die in den Windpark bläst und der Wolke, die das PV-Feld kurz verschattet.

Aber auch solche Schwankungen lassen sich blitzschnell und exakt ausgleichen – ohne dass ein thermischer Generator immer mitlaufen muss: Mit Batterien und ausgeklügelter Software. Intelligente Leistungssteuerung und Energiemanagementsysteme machen bestehende Netze „schlau“ und dezentral. Das sehen die Übertragungsnetzbetreiber mittlerweile übrigens genauso, wenn sie es auch etwas anders nennen: In einer im April 2014 veröffentlichten Studie forderten sie explizit in künftigen Netzanforderungen „Synthetic Intertia“, also quasi künstliche Massenträgheit großer Kraftwerke, vorzusehen.

Dass sich solche schnellen Speicher schon heute sowohl netzdienlich als auch wirtschaftlich betreiben lassen, zeigt Younicos gerade im Nordosten Deutschlands gemeinsam mit dem Schweriner Ökostromanbieter WEMAG. Seit September 2014 stabilisiert der europaweit erste kommerzielle Batteriepark mit einer Leistung von fünf Megawatt und mit einer Kapazität von fünf Megawattstunden die Netzfrequenz im windreichen West-Mecklenburg.

Weil Speicher voll ent- und geladen werden können, während konventionelle Kraftwerke nur wenige Prozentpunkte nach oben oder unten geregelt werden können, ersetzen Anlagen wie die der WEMAG das Zehnfache an ansonsten notweniger konventioneller Regelleistung. Deswegen brauchen wir gar nicht so schrecklich viele davon. Um in der Lage zu sein, bei gutem Wetter fossile oder nukleare Kraftwerke abzuschalten – anstatt Windräder oder PV-Anlagen vom Netz zu nehmen – würden in etwa zwei Gigawatt schnelle Speicher reichen – das wären 200 turnhallengroße Gebäude verteilt über ganz Deutschland.

Den Markt den technischen Möglichkeiten anpassen

Doch statt den Ausbau solcher Anlagen durch eine Anpassung der Regeln (nicht neue Subventionen!) an die heutigen Möglichkeiten zu fördern, blockieren Politik, Regulatoren und Netzbetreiber schnelle, präzise Hochleistungsspeicher durch überkommene technische Anforderungen. Die Bundesnetzagentur tut stur so, als seien Speicher Stromverbraucher (was sie ebenso wenig sind, wie Umspannwerke oder andere technische Anlagen, die auch Stromverluste haben), die Netzbetreiber setzen die Regeln nicht auf Grundlage der zu erbringenden Leistung fest, sondern beschreiben die Technik von konventionellen Kraftwerken und die Politik verweigert Reformen, die Speicher für ihre Schnelligkeit und Präzision belohnen würden.

Dabei kann die Energiewende nur gelingen, wenn wir auch ohne große Kraftwerke stabil Strom zur Verfügung stellen können. Dazu müssen künftig kritische Systemdienstleistungen eine monetäre Wertigkeit erhalten, die bisher so nicht ausgewiesen – wohl aber bezahlt wurde. Zum Beispiel muss Reaktionsgeschwindigkeit ein Preisschild bekommen. In den USA etwa werden Systemdienstleistungen längst explizit nach Geschwindigkeit und Präzision bezahlt.

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Wie sich das rechnet, untermauerte jüngst die dena-Studie „Systemdienstleistungen 2030“ vom Anfang des Jahres 2014. Nach den Berechnungen der Experten ließe sich durch die Installation von Batteriespeichern mit einer Leistung von insgesamt 551 Megawatt ab 2030 jährlich 241,6 Millionen Euro gegenüber der bisherigen, konventionellen Systemführung sparen. Auch das zeigt wiederum: Wenn wir die Energiewende bezahlbar halten wollen, müssen wir das fossil-nukleare System in dem Maße zurückfahren, in dem wir das erneuerbare System größer machen.

Clemens Triebel ist Mitbegründer und Chief Visionary Officer der Younicos AG. Sein Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.

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Clemens Triebel

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