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„Während wir uns in den letzten Jahren vor allem dem Ausbau der Erneuerbaren Energien gewidmet haben, rückt nun die Frage nach der Systemintegration immer stärker in den Mittelpunkt.“

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Debatte zur Flexibilität im Strommarkt: Versorgungssicherheit: Die Energiewende darf nicht ohne eine Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch gedacht werden

Die Aufgabe der Politik ist es, angesichts einer Vielzahl von Flexibilisierungsmöglichkeiten ein „level playing field“ zu schaffen, sagt Dirk Becker (SPD). Statt der einseitigen Strommarktorientierung setzt er bei der zukünftigen Ausgestaltung auf eine Verzahnung mit dem Wärme- und Verkehrssektor. Ein Debattenbeitrag.

Die Sonnenfinsternis im März hat allen Akteuren der Energiewirtschaft vor Augen geführt, welchen Herausforderungen das Energiesystem im Zeitalter der fortschreitenden Energiewende gewachsen sein muss. Ein Vorgeschmack dafür, wie sehr wir die Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch von Energie vorantreiben müssen. Hierbei müssen die Anstrengungen der Politik, Energiewirtschaft und Wissenschaft Hand in Hand gehen und dabei die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr enger als bisher miteinander verzahnen.

Während wir uns in den letzten Jahren vor allem dem Ausbau der Erneuerbaren Energien gewidmet haben, rückt nun die Frage nach der Systemintegration immer stärker in den Mittelpunkt. Klar ist, dass unsere ehrgeizigen Ausbauziele nur durch Flexibilisierungsmaßnahmen realisierbar sind. Wir brauchen eine Flexibilitätswende auf dem deutschen Strommarkt.

Der Zubau der fluktuierenden Erneuerbaren Energien wird in den nächsten Jahrzehnten dazu führen, dass die Stromnachfrage nach fossilen Kraftwerken zur Deckung der Residuallast generell abnimmt, die noch zur Verfügung stehenden Leistungen jedoch sehr kurzfristig hoch bzw. heruntergefahren werden müssen. Bereits heute gelingt es konventionellen Kraftwerken ihre Fahrweise zu flexibilisieren. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, denn der Erfolg der Energiewende ist während der derzeitigen Systemtransition auf fossile Energieträger aus Gründen der Versorgungssicherheit angewiesen.

Das Grünbuch des Bundeswirtschaftsministeriums hat eine gute Diskussionsgrundlage dafür geliefert, welche Maßnahmen im Hinblick auf eine Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage im Stromsektor notwendig sind, um unseren Strommarkt fit zu machen.

Nun gilt es, die dort bereits identifizierten Maßnahmen umzusetzen, um die Flexibilitätswende anzuschieben. Dabei ist klar, je besser der Flexibilitätsmarkt funktioniert, desto weniger Kapazitäten müssen vorgehalten werden. Wir brauchen Preissignale, die eine möglichst direkte Steuerungswirkung entfalten. Eine Weiterentwicklung der Spot- und Regelleistungsmärkte, eine Stärkung der Bilanzkreisverantwortung sowie ein zügiger Netzausbau der Übertragungs- und Verteilernetze sind dringend notwendige Maßnahmen. Ein weiterer Aufschub der politischen Entscheidung schafft unnötige Unsicherheiten am Markt.

Des Weiteren muss die Netzregulierung dahin angepasst werden, dass Investitionen gerade in intelligente Netze, Schnittstellen sowie in Informations- und Kommunikationstechnologien angereizt werden. Denn nur mit leistungsfähigen Netzen schaffen wir es, die besten Erzeugungsorte für Erneuerbare Energien mit den Orten, an denen der Strom ge- und verbraucht wird, kosteneffizient und umweltverträglich zu verbinden.

Die Ausgangsposition ist dabei relativ gut, da uns eine Vielzahl von Flexibilisierungsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Die Aufgabe der Politik liegt nun darin, ein level playing field zu schaffen, sodass sich die Maßnahmen und Techniken durchsetzen können, die am kostengünstigsten sind. Vor allem im Bereich der flexiblen Nachfrage gilt es die Potenziale von Industrie, Gewerbe und Haushalten zu heben. Dabei müssen wir offen sein für neue Marktakteure und Dienstleistungsprodukte.

Abschließend appelliere ich daran, die Flexibilisierung der Energiewende nicht einseitig strommarktorientiert zu führen, da erhebliche Flexibilisierungspotenziale durch eine stärkere Verzahnung mit dem Wärme- und Verkehrssektor realisiert werden können. Gerade die KWK als Effizienztechnologie birgt erhebliche Flexibilisierungspotenziale. Auch Energieeffizienzmaßnahmen müssen im Zusammenhang mit der Flexibilisierung stärker berücksichtigt werden. Je weniger Energie wir verbrauchen, desto geringer fallen die Kosten für den Umbau des Energiesystems und die Flexibilisierung aus. Das ist nicht nur energie- sondern auch kosteneffizient.

Dirk Becker ist Sprecher der AG Wirtschaft und Energie der SPD-Bundestagsfraktion und seit 2005 für die SPD im Bundestag. Sein Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Flexibilität im Strommarkt. Alle Debattenbeiträge finden Sie hier.

Hermann Falk: Flexibilität als Schlüssel für das Energiesystem der Zukunft

Eva Bulling-Schröter: Gesucht wird: Verlässlicher Partner von Sonne und Wind

Alexandra Langenheld: Mehr "Flex-Efficiency" für den Strommarkt

Julia Verlinden: Die neue Energiewelt – Flexibilität im Strommarkt als Schlüssel

Hildegard Müller: Die Energiewende braucht intelligente Lösungen

Hendrik Köstens: Die Rolle der Flexibilität im Strommarkt der Zukunft - Eine Einführung in die Debatte

Dirk Becker

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