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"Die Bilanz nach zahlreichen Krankenhausreformen ist mittlerweile ernüchternd."

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Debatte zur Krankenhausreform: Mehr Qualität durch weniger Ressourcen?

Den besonderen Bedürfnissen einzelner Patientengruppen wie geriatrischer oder demenzerkranker Patienten werden die heutigen Versorgungsstrukturen nicht gerecht. Die geplante Reform wird daran wenig ändern, warnt der Katholische Krankenhausverband. Ein Debattenbeitrag

Mehr Qualität in der zukünftigen Krankenhausbehandlung und mehr Sicherheit für die Patienten verspricht die Bundesregierung durch die neue Krankenhausreform. Doch wie die Kliniken die dafür erforderlichen Investitionen in zukunftsfeste Krankenhausstrukturen und qualifizierte Personalausstattung stemmen sollen, bleibt weiter offen. Die heute schon zahlreichen Budget- und Erlöskürzungsmechanismen werden erneut vermehrt. Und die zu erwartenden Tarifsteigerungen werden weiterhin nicht refinanziert. Deshalb wird weiterer Stellenabbau ganz klar die Folge sein, da die Personalkosten etwa 70 Prozent der Kosten in den Krankenhäusern ausmachen. Eine angemessene Antwort auf die demografische Entwicklung der kommenden Jahre sähe anders aus!

Leider richtet diese Reform den Blick weder auf eine Versorgungsplanung, die den zukünftigen Anforderungen durch den demografischen Wandel entspricht, noch auf eine sachgerechte Finanzierung, die sich am tatsächlichen Versorgungsbedarf in den Regionen ausrichtet. Die Vielzahl von neuen Abschlags- und Budgetkürzungsmaßnahmen haben in ihrem Zusammenspiel ein starkes Ausdünnen der Versorgungsstrukturen – im Klartext Klinikschließungen – zur Folge.

Die auch von den politisch Verantwortlichen bemängelte Investitionslücke von bundesweit jährlich drei Milliarden Euro aufgrund der unzureichenden Finanzierung durch die Länder bleibt aus Sicht der Krankenhäuser die Großbaustelle der Gesundheitspolitik. Bund und Länder müssen an dieser Stelle ihrer Verantwortung nachkommen und die Voraussetzung dafür schaffen, dass die geforderte Qualität der Krankenhausversorgung in Zukunft auch erbracht werden kann. Im Bereich der Betriebskostenfinanzierung wartet der Entwurf mit zahlreichen neuen Abschlagsregelungen auf der Orts- und Landesebene auf.

Die Vielfalt der nun vorgesehenen Instrumente, die im Grunde leistungsbezogene Restriktionen darstellen – wie Mindestmengen, Katalogpreisabstaffelung, Mehrerlösausgleichsregelungen, Fixkostendegressionsabschlag – führt jedoch zu einer deutlichen Überregulierung. Die konkreten Auswirkungen dieser sich teilweise überlagernder und im Einzelfall gegenseitig verstärkender Instrumente sind selbst für Fachleute kaum einschätzbar und erschweren die zielgerichtete Steuerung eines Krankenhauses enorm. Über ein Drittel der deutschen Kliniken schreiben durch die jahrelange Unterfinanzierung der Investitionskosten bereits heute rote Zahlen. Verstärkt wird diese Entwicklung noch durch die ersatzlose Streichung des Versorgungszuschlages ab 2017, die der Krankenhausvergütung pro Jahr rund 500 Millionen Euro entzieht. Die Folgewirkung mündet wiederum in weiterem Personalabbau.

Gerade alte und demente Patienten können nicht angemessen behandelt werden

Will man die Versorgungsqualität in den Krankenhäusern wirklich stärken, muss v.a. auch den „weichen“, personalintensiven Faktoren wie der Zuwendung zum Patienten eine stärkere Bedeutung beigemessen werden. Der Anstieg des Anteils geriatrischer und von Demenz betroffener Patienten etwa stellt für die Krankenhäuser bereits heute eine enorme Herausforderung dar. Den besonderen Anforderungen dieser Patientengruppen werden die heutigen Versorgungsstrukturen noch viel zu wenig gerecht. Dazu gehört aus Sicht der christlichen Krankenhausträger auch ein umfassendes Verständnis von Heilung. Dieses hat das Wohl und die Genesung der Patienten im Blick und schließt die Fürsorge für die Angehörigen mit ein.

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands e.V.
Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands e.V.

© KKVD

Das gilt verstärkt für kommende Patientengenerationen, die in einem arbeitsteiligen, hochtechnisierten Klinikalltag zusehends überfordert werden und daher eine deutliche Veränderung der gegenwärtigen Klinikprozesse unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten, aber auch Einschränkungen erfordern. Aber wie sollen Konzepte für ein zunehmend multimorbides Patientenklientel finanziert werden, das quantitativ und qualitativ auf ein Mehr an Klinikpersonal sowie an Professionalität angewiesen sein wird? Versorgungsqualität braucht mehr Zuwendung und Beziehungsarbeit im Krankenhaus. Und dazu braucht es ganz einfach mehr Personalressourcen!

Das vorgesehene Pflegestellenförderprogramm reicht da bei weitem nicht aus, um die Personalsituation der Pflege im Krankenhaus ausreichend und nachhaltig zu verbessern. Erforderlich sind dazu auch Maßnahmen zur Förderung der Aus- und Weiterbildung und zur Gewinnung von Nachwuchskräften.

Das Fazit ist - ernüchternd

Die Bilanz nach zahlreichen Krankenhausreformen ist mittlerweile ernüchternd: Für die dringenden Aufgaben der Kliniken wie den Abbau des Investitionsstaus, die adäquate Refinanzierung der Tariflohn-Erlös-Schere oder die Verlustdeckung der ambulanten Notfallversorgung hält die aktuelle Reform nur spärliche Maßnahmen bereit. Hohe Qualitätsanforderungen und Sicherheitserwartungen an die Kliniken ohne die Gewährleistung einer entsprechenden Ressourcenausstattung sind bloße Augenwischerei.

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

Denn bei allen ungelösten Finanzierungsproblemen bleiben die Herausforderungen des demografischen Wandels gepaart mit Fachkräftemangel die wohl systemisch größeren Sorgen. Welche Reform, wenn nicht diese der großen Koalition, hätte hierzu die notwendigen Lösungen endlich auf den Weg bringen können? Diese Chance wurde wiederum vertan!

Bernadette Rümmelin ist Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands e.V. (KKVD). Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Krankenhausreform. Alle Debattenbeiträge finden sie hier.

Stefan Grüttner: Kulturwandel zu Gunsten der Patienten

Jürgen Hohnl: Der Anfang ist gemacht – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Hedi François-Kettner: Ungelöste Fragen gefährden Patientensicherheit

Dr. Stephan Articus: Qualitative Krankenhausversorgung zukunftsfest ausgestalten und finanzieren

Norbert Groß: Kliniken im verschärften Überlebenskampf

Ralf Heyder: Begrenzte Hoffnung für Universitätskliniken

Andreas Westerfellhaus: Ohne Pflegepersonal keine Krankenhausversorgung

Ulrike Elsner: "Fehlanreize sind hier vorprogrammiert."

Bernhard Ziegler: Die Flucht vor unpopulären Entscheidungen

Dr. Harald Terpe MdB: Krankenkassen und Bundesländer sollten kooperieren

Armin Ehl: Die richtigen Stichworte, die falsche Umsetzung

Harald Weinberg MdB: Weniger Wettbewerb - Mehr Qualität!

Hilde Mattheis MdB: Gesetz schafft Verbesserungen für Patienten und Beschäftigte

Dr. Gerd Landsberg: Krankenhäuser müssen wohnortnahe Versorgung gewährleisten können!

Johann-Magnus v. Stackelberg: Es ist eine Reform, aber keine große.

Jens Spahn MdB: "Im Mittelpunkt stehen ohne Zweifel die Patienten"

Georg Baum: Ende der Sparpolitik: Kliniken brauchen mehr Investitionen

Bernadette Rümmelin

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