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„Wir wissen aber auch, dass wir damit bei weitem nicht die Forderungen der Krankenhäuser umsetzen werden.“

© dpa

Debatte zur Krankenhausreform: Nicht der große Wurf, aber ein richtiger Schritt

Die Personalsituation an deutschen Kliniken wird so schnell nicht besser werden. Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin erklärt im Gastbeitrag, was die Arbeit einer Expertenkommission zum Pflegeaufwand hier bewirken soll, und welche flankierenden Maßnahmen es gibt.

Mit dem Entwurf eines Krankenhausstrukturgesetzes setzt die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag angelegte Verbesserung der Transparenz von Qualität in der Krankenhausversorgung konsequent um. Herausragende Qualität soll auch in Zukunft besser gefördert werden. Davon werden auch die Krankenhäuser profitieren. Ich denke, das gefundene Ergebnis wird die Situation der Krankenhäuser ziel- und passgenauer verbessern und ist damit auch im Interesse der Patientinnen und Patienten.

Ziel der Krankenhausplanungen der Länder ist es, eine medizinisch leistungsfähige, patientenorientierte, regional ausgewogene und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung sicherzustellen. In Rheinland-Pfalz haben wir den Aspekt der Qualität der Behandlungsleistungen bereits in der Vergangenheit im Rahmen der Krankenhausplanung aufgenommen und entsprechende Projekte eingeführt. Unter anderem ein wirksames Konzept im Kampf gegen den Brustkrebs, eine besondere Ausweisung von Schlaganfalleinheiten und - deutschlandweit einmalig - ein eigenes Herzinfarktregister für Rheinland-Pfalz. Wir sind damit das erste Bundesland, das beim Notfall „Herzinfarkt“ eine landesweite zusätzliche Qualitätssicherung fördert. Das Register liefert uns wichtige Erkenntnisse, um eine optimale Versorgung des Herzinfarkts in Rheinland-Pfalz zu gewährleisten.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, rheinland-pfälzische Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie Sprecherin der A-Länder
Sabine Bätzing-Lichtenthäler, rheinland-pfälzische Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie Sprecherin der A-Länder

© Martina Pipprich; MSAGD

Das Krankenhausstrukturgesetz soll die Qualität der Behandlungsleistung als ein greifbares Kriterium für Patientinnen und Patienten transparenter machen. Das halte ich für sinnvoll, denn im Zeitalter der Sozialen Medien hat sich auch das Arzt-Patienten-Verhältnis deutlich verändert. Patientinnen und Patienten möchten zunehmend selbst zu möglichen Erkrankungen recherchieren und sich umfassend über das für sie am besten geeignete Krankenhaus informieren. Das ist ihr gutes Recht. Die bessere Lesbarkeit von Qualitätsberichten und das Zweitmeinungsverfahren wird ihnen eine deutliche Verbesserung bringen.

Abseits der Qualitätsaspekte wird das Gesetz aber auch Verbesserungen in der Vergütung der Notfallversorgung und Sicherstellungszuschläge sowie bei durch Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses ausgelösten Mehrkosten bei den Krankenhäusern beinhalten.

Ein ganz wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht die Personalsituation in den Krankenhäusern. Der Diskussionsbedarf zu überlasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zu Personalbemessungen ist groß. Das Bundesgesundheitsministerium hat angekündigt, die im Eckpunktepapier vereinbarte Expertenkommission zur Untersuchung des Pflegeaufwands bereits im Spätsommer einzurichten. Sie soll sich mit der Abbildung des besonderen Pflegeaufwands für spezielle Patientengruppen wie Demenzkranke oder mehrfach behinderte Patienten, aber auch mit dem allgemeinen Pflegeaufwand beschäftigen und hierzu einen Bericht vorlegen. Dies scheint auf den ersten Blick nicht nach einem großen Wurf, es ist aber ein richtiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung, von dem wir uns eine transparentere und damit nachvollziehbarere Abbildung des tatsächlichen Pflegeaufwands versprechen. Wichtig ist, dass die Kommission nun auch wirklich zügig kommt. Darauf werde ich pochen.

Begleitend hierzu hatten wir uns in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf die Einrichtung eines Pflegestellenförderprogramms mit einem Volumen von 660 Millionen Euro über drei Jahre verständigt. Wie dringlich hier Maßnahmen sind, hat sich nicht zuletzt durch den Streik am größten Universitätsklinikum Europas, der Berliner Charité, in den vergangenen Tagen gezeigt. Auch im Hinblick auf diese Entwicklung haben wir bereits im Bundesratsverfahren eingebracht, das Pflegestellenförderprogramm auf insgesamt 1,32 Milliarden Euro zu erhöhen und damit zu verdoppeln. Eine nachhaltige Verbesserung und Veränderung der Situation kann aber sicherlich erst nach der Auswertung der Ergebnisse der Kommission erfolgen.

Zur Verbesserung der Versorgungsstruktur, dem Abbau von Überkapazitäten, zur Konzentration von Krankenhausstandorten sowie der Umwandlung von Krankenhäusern, zum Beispiel zu Gesundheitszentren, wird der angekündigte Strukturfonds von insgesamt einer Milliarde Euro sicherlich hilfreich sein. Wir wissen aber auch, dass wir damit bei weitem nicht die Forderungen der Krankenhäuser umsetzen werden. Eines ist ganz klar: Hier wird auch in der Zukunft viel Arbeit auf uns zukommen.

Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings
Eine Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings

© TPM

In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe haben wir eine Vielzahl notwendiger Weichen für eine nachhaltige Krankenausversorgung bereits gestellt, um uns auf die anstehenden Herausforderungen eines Flächenlandes im Hinblick auf die demografische Entwicklung insbesondere in strukturschwachen Gebieten vorzubereiten. Von den strukturgebenden und punktuell zielgenauer finanzierten Maßnahmen werden aber nicht alle Krankenhäuser in gleicher Weise profitieren. Gerade in Flächenländern mit ländlichen Regionen müssen wir das gefundene Ergebnis in der Gesamtschau einer Erfolgskontrolle unterziehen und gegebenenfalls den Krankenhäusern zusätzliche finanzielle Entlastungen zur Verfügung stellen. Zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler ist rheinland-pfälzische Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie Sprecherin der A-Länder. Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Debatte des Tagesspiegel Politikmonitorings zur Krankenhausreform. Alle Debattenbeiträge finden sie hier.

Bernadette Rümmelin: Mehr Qualität durch weniger Ressourcen?

Stefan Grüttner: Kulturwandel zu Gunsten der Patienten

Jürgen Hohnl: Der Anfang ist gemacht – nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Hedi François-Kettner: Ungelöste Fragen gefährden Patientensicherheit

Dr. Stephan Articus: Qualitative Krankenhausversorgung zukunftsfest ausgestalten und finanzieren

Norbert Groß: Kliniken im verschärften Überlebenskampf

Ralf Heyder: Begrenzte Hoffnung für Universitätskliniken

Andreas Westerfellhaus: Ohne Pflegepersonal keine Krankenhausversorgung

Ulrike Elsner: "Fehlanreize sind hier vorprogrammiert."

Bernhard Ziegler: Die Flucht vor unpopulären Entscheidungen

Dr. Harald Terpe MdB: Krankenkassen und Bundesländer sollten kooperieren

Armin Ehl: Die richtigen Stichworte, die falsche Umsetzung

Harald Weinberg MdB: Weniger Wettbewerb - Mehr Qualität!

Hilde Mattheis MdB: Gesetz schafft Verbesserungen für Patienten und Beschäftigte

Dr. Gerd Landsberg: Krankenhäuser müssen wohnortnahe Versorgung gewährleisten können!

Johann-Magnus v. Stackelberg: Es ist eine Reform, aber keine große.

Jens Spahn MdB: "Im Mittelpunkt stehen ohne Zweifel die Patienten"

Georg Baum: Ende der Sparpolitik: Kliniken brauchen mehr Investitionen

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