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Delmenhorst: Teurer Antifaschismus

Die niedersächsische Stadt Delmenhorst hat den Verkauf eines Hotels an Neonazis verhindert. Die Kommune erwarb das heruntergekommene Gebäude einfach selbst. Jetzt suchen die Stadtväter weltweit nach einem neuen Nutzer.

Antifaschismus kann manchmal richtig ins Geld gehen: Vor gut einem Jahr erwarb die Stadt Delmenhorst über ihre Wohnungsgesellschaft GSG eine überteuerte Immobilie in bester City-Lage, die sie eigentlich gar nicht braucht. Aber sie bereut den Kauf kein bisschen. Denn wenn nicht sie das „Hotel am Stadtpark“ für drei Millionen Euro übernommen hätte, dann wäre höchstwahrscheinlich der Neonazianwalt Jürgen Rieger Besitzer des leerstehenden Pleiteobjekts geworden. Und der hätte daraus wohl ein rechtsextremes Schulungszentrum gemacht.

Um das zu verhindern, legten sich Bürger und Politiker damals kräftig ins Zeug. Fünf Monate lang wurde in der ganzen Region Geld für einen Abwehrkauf gesammelt. Am Ende kamen genau 937 607,03 Euro zusammen. Stadt und GSG legten gut zwei Millionen drauf, um den Zuschlag zu bekommen. Dann konnten sie den Preis aber noch drücken, denn ein Teil der Kaufsumme floss direkt an die Banken des verschuldeten Hotelbesitzers, und die gewährten einen Rabatt.

Da gehörte der alten Arbeiterstadt bei Bremen nun plötzlich ein knapp 30 Jahre altes, heruntergekommenes 200-Betten-Haus – aber was sie damit anfangen sollte, wusste sie nicht. Doch wozu gibt es Bürgerbeteiligung – ein „Forum gegen rechts“ unter dem Dach des DGB brachte 20 000 Postkarten für Nutzungsvorschläge in Umlauf. Rund 900 kamen ausgefüllt zurück und wurden von Projektgruppen ausgewertet. Schließlich kristallisierten sich fünf mögliche Nutzungsarten heraus: politische Bildungsstätte, „Bürgerhaus/Mehrgenerationenhaus“, Seniorenwohnanlage, Behördenhaus oder Hotel. Fehlten nur noch die nötigen Investoren. Denn die verschuldete 78 000-Einwohner-Stadt will kein weiteres Geld zuschießen. Also startete sie ein internationales Bieterverfahren.

Vor allem per Internet wird nun ein „Projektentwickler/Investor/Betreiber“ gesucht, der die „Bau- und/oder Nutzungsrechte“ für das Hotel samt benachbarter „Delmehalle“ übernimmt. Anfang Februar sichtet eine Jury die Angebote, und danach entscheidet das Stadtparlament. Jeder weitere Leerstand geht ins Geld. Allein 2007 gingen laut Stadtverwaltung 110 000 Euro an Zinsen für den Kaufkredit und 120 000 Euro an Unterhaltskosten drauf, also monatlich fast 20 000 Euro. Fürs neue Jahr rechnet die Stadt mit etwas weniger: knapp 15 000 Euro im Monat, zum Beispiel für Grundsteuern und Versicherungen sowie für die Heizung auf Sparflamme.

Architekt Günter Feith, der die Spendenaktion mit angeschoben hatte, findet die lange Verfahrensdauer „eigentlich nicht okay“. Aber „auf keinen Fall“ bereut er seinen Einsatz für den Hotelkauf. Auch der örtliche DGB-Chef Ulrich Kelm findet „unser Engagement immer noch fantastisch“. Das sieht Stadtsprecherin Sina Stumpe ähnlich: „Wir sind erleichtert, dass wir die Rechtsradikalen aus unserer Stadt heraushalten konnten.“

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