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Politik: Dem Frieden eine Chance

Kolumbien unternimmt nach 50 Jahren Krieg neuen Anlauf zu Gesprächen mit der Farc-Guerilla.

Puebla - Kolumbiens Regierung will den 50-jährigen Bürgerkrieg im Andenstaat beenden. Ja, man verhandle derzeit mit der Guerilla der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) auf Kuba, bestätigte Präsident Juan Manuel Santos am Montag in einer landesweit übertragenen Ansprache. Er reagierte damit auf Meldungen, wonach Farc und Regierung eine Rahmenvereinbarung über die Aufnahme von Friedensgesprächen geschlossen hätten.

Berichten venezolanischer und kolumbianischer Medien zufolge sollen am 5. Oktober Gespräche in Oslo beginnen. In einer zweiten Phase würden diese auf Kuba fortgeführt. Ziel sei es, erst dann vom Verhandlungstisch aufzustehen, wenn eine Einigung vorliege. Ausgearbeitet wurde der Nichtregierungsorganisation Arcoiris zufolge eine Agenda mit sechs Punkten, darunter die politische Anerkennung der Farc, die Nichtauslieferung, die Landfrage, Strafmilderung für Kriegsverbrechen und ein Waffenstillstand sowie die Demobilisierung der Farc. Santos nahm zu den Details nicht Stellung, betonte aber, momentan gebe es keine Waffenruhe. Nach Bekanntwerden der Nachricht erklärte sich auch die zweite, kleinere Guerillaorganisation Nationales Befreiungsheer (ELN) gesprächsbereit. Santos zufolge stehe dem nichts entgegen. Beide Guerillaorganisationen zusammen haben schätzungsweise 10 000 Kämpfer unter Waffen und werden von den USA und der Europäischen Union als „Terrorgruppen“ eingestuft.

Die Farc hatten zuletzt zwischen 1999 und 2002 mit der Regierung verhandelt. Die Gespräche scheiterten und endeten in einem politischen Fiasko, nachdem ans Licht kam, dass die Guerilla die für die Verhandlungen entmilitarisierte Zone genutzt hatte, um Kämpfer auszubilden, Geiseln zu verstecken und Drogen anzubauen. Santos aber hatte zuletzt immer wieder betont, der Frieden müsse das oberste Ziel einer Gesellschaft sein. Die ersten Reaktionen waren überwiegend positiv. Die Justiz sei bereit, ein solches Vorhaben zu unterstützen, etwa durch die Aussetzung der Haftbefehle für die Farc-Anführer, erklärte Generalstaatsanwalt Eduardo Montealegre.

Prominentester Verhandlungsgegner ist Expräsident Alvaro Uribe. „Santos Frieden ist eine versteckte Kapitulation“, twitterte er. Uribe hatte zwar nicht mit der Guerilla, aber mit dem zweiten wichtigen Kriegspart verhandelt, den Todesschwadronen. Deren zwischen 2003 und 2006 vollzogene Demobilisierung hatte international für Kritik gesorgt wegen der großzügigen Strafmilderung für die Protagonisten schlimmster Menschenrechtsverletzungen. Die Anführer der Paramilitärs wurden wegen ihrer Verwicklung in den Drogenhandel in die USA ausgeliefert, wo sie zahlreiche unbequeme Verbindungen zu Politikern und Geschäftsleuten preisgaben. Auch Uribes Familienangehörige, Parteifreunde und zahlreiche seiner Funktionäre stehen heute wegen Paramilitarismus und Drogenhandel vor Gericht. Vielen unteren Rängen der Todesschwadronen gelang die Reintegration nicht. Sie haben neue kriminelle Banden gegründet, die heute den Drogenhandel kontrollieren. Die Farc hingegen wurden unter Uribe stark geschwächt. Sie verloren zahlreiche Anführer und gerieten unter Druck des Militärs, das mit US-Hilfe aufgerüstet und ausgebildet wurde. Im Februar hatte die Rebellenorganisation bereits ein erstes Zeichen der Versöhnung gesetzt und auf die Entführung von Zivilisten verzichtet. Sandra Weiß

Sandra Weiß

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