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Applaus für Alexander Vindman: Ex-Vizepräsident Joe Biden bei der TV-Debatte in Manchester, New Hampshire.

© REUTERS/Brian Snyder

Demokraten-Debatte nach dem Wahlchaos: Für einen Moment schafft Joe Biden ein Wir-Gefühl

Nach seinem Erfolg in Iowa zielen bei der TV-Debatte alle auf Buttigieg. Ex-Vizepräsident Biden sucht den Draht zum Wähler – und hat ein finanzielles Problem.

Es war ein geschickter Schachzug von Joe Biden, auch wenn er wohl geplant war. "Lasst uns alle aufstehen und Oberstleutnant Vindman applaudieren!"

Die Zuschauer der TV-Debatte der US-demokratischen Präsidentschaftskandidaten in Manchester/New Hampshire folgten der Aufforderung des ehemaligen Vizepräsidenten am Freitagabend gerne - die Empörung über den kurz zuvor erfolgten Rausschmiss des hochdekorierten Ukraine-Experten Alexander Vindman aus dem Nationalen Sicherheitsrat nur zwei Tage nach dem Ende des Impeachment-Verfahrens gegen US-Präsident Donald Trump war noch frisch.

Vindman hatte Ende vergangenen Jahres im Repräsentantenhaus zur Ukraine-Affäre ausgesagt, wohlgemerkt, nachdem er unter Strafandrohung vorgeladen worden war, und mit seiner Aussage Trump schwer belastet. Für den Präsidenten ist er damit ein Verräter, für die Demokraten ein Held.

Biden hatte die Zuschauer dazu gebracht, sich hinter Vindman zu stellen - er vereinte für einen Moment die Anwesenden, schuf ein Wir-Gefühl. Und unterstrich damit sein stärkstes Argument für sich als Kandidaten: Er könne das Land, die Gesellschaft wieder zusammenbringen und Anstand und Würde ins Weiße Haus zurückbringen. Damit habe er die besten Chancen, Trump zu schlagen.

Es stimmt ja: Vom Anstand, von der Würde und der Erfahrung dieses Mannes sind wohl die meisten überzeugt, seine Verdienste sind unbestritten. Bidens große Stärke ist seine Empathie.

Aber es gibt ein Problem mit seinem Anspruch, derjenige im Bewerberfeld zu sein, der am ehesten gewählt werde. Und das Problem wurde am Montag in Iowa sichtbar, wo die erste von insgesamt 50 Vorwahlen stattfand, mit denen die Demokraten ihren Präsidentschaftskandidaten bestimmen.

Buttigieg und Sanders liegen in Iowa vorne

Auch wenn das Auszählen dort wegen eines technischen Problems im Chaos endete und immer noch kein endgültiges Endergebnis vorliegt, ist eines inzwischen klar: Biden war hier im Mittleren Westen nicht der klare Sieger, wie er es lange Zeit hatte hoffen können. Er kommt überhaupt nur auf den vierten Rang.

Die vier Favoriten unter den demokratischen Präsidentschaftskandidaten: Pete Buttigieg, Elizabeth Warren, Joe Biden und Bernie Sanders.
Die vier Favoriten unter den demokratischen Präsidentschaftskandidaten: Pete Buttigieg, Elizabeth Warren, Joe Biden und Bernie Sanders.

© Brian Snyder/REUTERS

Vor ihm liegen Pete Buttigieg, der junge, schwule Ex-Bürgermeister aus South Bend/Indiana, sowie die beiden politisch deutlich weiter links stehenden US-Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren. Wobei Sanders fast gleichauf mit Buttigieg liegt.

Vor allem das überraschend gute Abschneiden von Buttigieg schadet Biden, sprechen der 38-Jährige und der mit 77 Jahren mehr als doppelt so alte ehemalige Vizepräsident doch ähnliche Wählergruppen an.

Die Spenden gehen zu den Siegern

Das macht sich ganz besonders bei den Spendeneinnahmen bemerkbar, die eher in die Richtung desjenigen gehen, der wie ein Siegertyp wirkt. Kurz gesagt: Biden hat ein ernsthaftes finanzielles Problem.

Schneidet er bei der am Dienstag anstehenden nächsten Vorwahl in New Hampshire nicht deutlich besser ab, werden sich seine Finanznöte noch verschärfen. Seine Kampagne hat nach US-Medienberichten bereits Kapazitäten in anderen Bundesstaaten abziehen müssen, um die aufwendigen Wahlkämpfe in den frühen Vorwahlstaaten finanzieren zu können.

Dass Biden da gleich zu Beginn der Debatte Erwartungsmanagement mit Blick auf sein Abschneiden in New Hampshire betrieb, machte die Zweifel nicht kleiner. Er habe einen Schlag eingesteckt und werde wahrscheinlich in New Hampshire einen weiteren hinnehmen müssen, sagte er. Das Kandidatenrennen sei aber lang, fügte er hinzu.

Immerhin wirkte er in den darauf folgenden zweieinhalb Stunden deutlich entschlossener als in vielen Debatten zuvor. Biden weiß, er muss alles geben. Sonst könnte der Traum vom Weißen Haus schon bald ausgeträumt sein - ein für allemal.

Klobuchar hat den stärksten Auftritt

Den stärksten Auftritt am Freitagabend hatte die dritte Senatorin auf der Bühne: Amy Klobuchar, die mit Nachdruck deutlich machte, dass ihr fünfter Platz in Iowa eine gute Ausgangslage ist. Besonders griff sie Buttigieg an, der sich als frisches Gesicht und Kandidat von außen inszeniere, aber in Wahrheit doch einfach nur unerfahren auf der nationalen politischen Bühne sei. "Wir haben einen Newcomer im Weißen Haus, und schaut, wohin uns das gebracht hat."

Allerdings hatte die 59-Jährige auch schon andere gute Auftritte und gehört trotzdem (noch) nicht zum Favoritenfeld. Das dominieren derzeit Buttigieg und Sanders, die die beiden Pole der Demokratischen Partei vertreten. Interessanterweise begeistert der 78-jährige Senator mit seinen progressiven Ideen sehr viele junge Leute, während der jüngste Bewerber Buttigieg bei dieser Wählergruppe Schwierigkeiten hat.

Viele Attacken auf den Jungstar - der bleibt souverän

Dennoch hat diesem sein erster Platz in Iowa einen riesigen Schub gegeben, auch weil er seinen Sieg ziemlich frech bereits am Wahlabend ausrief, als es noch gar kein offizielles Ergebnis gab. Seine Umfragewerte in New Hampshire sind seitdem deutlich gestiegen.

Buttigieg liegt in den meisten Erhebungen auf dem zweiten Platz hinter Sanders und deutlich vor Biden, der seit Iowa abgerutscht ist. Seiner Spendenbilanz hat das gute Abschneiden ebenfalls sehr geholfen.

Am Freitagabend war der 38-Jährige deshalb die Hauptzielscheibe der anderen Bewerber, die ihm wahlweise seine mangelnde Erfahrung (Klochubar und Biden), seine vielen reichen Spender (Sanders) und seine Schwäche bei der wichtigen afroamerikanischen Wählergruppe vorhielten. In South Carolina etwa, wo am 29. Februar gewählt wird, machen die Afroamerikaner rund 60 Prozent der demokratischen Wählerschaft aus.

Nur mit den Stimme der Afroamerikaner

Wer diese nicht gewinnen könne, habe keine Chance, im November gegen Trump zu siegen, mahnte Tom Steyer, der Klimaaktivist und Milliardär, der wie der siebte Teilnehmer der Debatte, der Tech-Unternehmer Andrew Yang, mit größerem Abstand zurückliegt.

Steyer hatte allerdings einen starken Moment, als er seine Mitbewerber aufforderte, sich doch endlich auf das Megathema, die Wirtschaft, zu konzentrieren. Ansonsten werde Trump gewinnen.

Die große Stärke von Buttigieg war wieder einmal, dass er bei all diesen Angriffen gelassen-freundlich und souverän blieb. "Wir brauchen jetzt eine Perspektive, die es uns endlich erlaubt, die Politik der Vergangenheit in der Vergangenheit zu lassen", entgegnete er auf Bidens Kritik, dass sich seine politischen Erfahrungen auf das Regieren einer 110.000-Einwohner-Stadt beschränkten.

Großes Lob erhielt er in den Medien im Anschluss für die Art und Weise, wie er Biden gegen die Angriffe Trumps verteidigte. Dass der Präsident die Familie Bidens in der Ukraine-Affäre zum Thema machen wollte, um einem Konkurrenten zu schaden, sei ungeheuerlich.

Sanders zeigte sich ungewöhnlich gelassen

Der stets streitbare Sanders wiederum gab sich fast versöhnlich an diesem Abend und weigerte sich, Biden mit Blick auf frühere politische Entscheidungen zu kritisieren. Dieser sei sein Freund, sagte er. Seine guten Umfragewerte für New Hampshire scheinen ihn gelassen zu machen.

Auch versprach Sanders, dass sie sich alle hinter demjenigen versammeln würden, der von der Partei im Juli nominiert werde. Denn es gebe ein großes Ziel: Trump müsse geschlagen werden.

Die Frage, wer diese TV-Debatte nun gewonnen hat, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Joe Bidens Kampagnenmail unmittelbar nach dem Ende der Debatte war zumindest mit der Betreffzeile "I fought like hell tonight" überschrieben, "Ich habe wie verrückt gekämpft". Ob das reicht, wird sich zeigen.

Bloomberg wartet auf seine Chance

Scheitert er, kommt ein anderer Milliardär ins Spiel, der am Freitag noch nicht mit auf der Bühne stand: Michael Bloomberg wird bei der nächsten Debatte wohl erstmals dabei sein, nachdem die Partei die Teilnahmebedingungen geändert hat.

Aber von der Seitenlinie mischte er sich bereits kräftig in die Debatte ein: Mit zahlreichen Tweets kommentierte er das Gesagte. Auch dann, als er selbst und sein vieles Geld, das er in seinen Wahlkampf investieren will, zum Thema wurde. "Ich bin ein Macher und Problemlöser - kein Debattierer", konterte er da. Er habe viel erreicht und könne gegen Trump gewinnen.

Trump sammelt viele Spenden

Mit Blick auf Bloomberg hatte Warren zuvor erklärt: "Niemand darf sich eine Wahl kaufen." Darum nehme sie auch keine Spenden von Großkonzernen an. Und Klobuchar fügte an, die Amerikaner würden doch nicht auf den Mann im Weißen Haus blicken und sagen, dass man jemanden noch Reicheren dort wolle.

Buttigieg allerdings gab zu bedenken, dass Geld schon eine Rolle spiele. Trump habe alleine an diesem Tag mehr als 20 Millionen Dollar an Spenden eingenommen - nach seinem Freispruch steht er auch in Umfragen stärker da als je zuvor.

"Wir sind in der Schlacht unseres Lebens", sagte Buttigieg. Daher brauchten die Demokraten alle Hilfe, die sie kriegen könnten. Damit hat er nach dieser für die Demokraten verheerenden Woche wohl ganz besonders recht.

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