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Politik: Demokratie nach Landessitte

In Pakistan wird heute gewählt – die Opposition hat kaum Chancen

Von Ruth Ciesinger

und Ashwin Raman

In Pakistan wird an diesem Donnerstag das Parlament gewählt – doch ob die Menschen wirklich eine Wahl haben, daran zweifeln zumindest viele politische Kommentatoren im Land. Um seine Machtposition zu erhalten, hat Präsident Pervez Musharraf in den vergangenen Wochen einige Gesetze erlassen, die einerseits das Parlament schwächen und andererseits bereits den Zugang zur Volksvertretung für viele unmöglich machen. So darf nur derjenige kandidieren, der ein Magisterstudium abgeschlossen hat – was 98 Prozent der Bevölkerung ausschließt; der Präsident kann das Parlament auflösen und den Premierminister entlassen; durch einen Nationalen Sicherheitsrat hat er das Mitspracherecht in der Regierung; und nur wer schuldenfrei ist, darf sich aufstellen lassen.

Hinzu kommt, dass führende Oppositionspolitiker, die beiden ehemaligen Premierminister Benazir Bhutto und Nawaz Sharif, nicht an der Wahl teilnehmen dürfen. Beide leben im Exil, bei der Einreise droht sofortige Verhaftung wegen Korruption. Deshalb musste Bhutto die Ansprache an Tausende Anhänger ihrer Pakistan’s People Party (PPP) in Lahore per Satellitenübertragung halten. Zu Beginn der Versammlung beschlagnahmte die Polizei die Leinwand. Parteifunktionäre bauten eine Leinwand aus Bettlaken, erst dann konnte Bhutto ihre Rede fortsetzen. Bei Kundgebungen anderer Parteien wurde kurzerhand der Strom für die Lautsprecher abgedreht. Dagegen erfuhr die regierungsnahe Pakistan Muslim League-Q (PML-Q) viel staatliche Unterstützung. Ihr Führer Mian Azhar wird bereits als künftiger Premierminister gehandelt. Diverse Umfragen sagen aber auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen PPP und PML-Q voraus.

Im Land selbst beklagen Menschenrechtsorganisationen die undemokratischen Zustände, und viele der rund 72 Millionen Wähler wollen deshalb offenbar gar nicht erst von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Wegen der Schlüsselrolle Pakistans im andauernden Anti-Terror-Krieg wird von westlicher Seite jedoch keine öffentliche Kritik laut. Außerdem, so wird argumentiert, löse General Musharraf, der sich vor drei Jahren an die Macht putschte und in einem umstrittenen Referendum seine Amtszeit bis 2007 verlängern ließ, mit den Wahlen zumindest seine Zusage ein, den Weg zurück zur Demokratie fortzusetzen.

Stabilität in der Region ist derzeit das vorrangige Interesse, und die verspricht, so die generelle Meinung, eben ein starker Präsident Musharraf. Er hat sich – gegen die Islamisten im eigenen Land – im Afghanistan-Krieg ganz auf die Seite der USA und der westlichen Allianz geschlagen. Im Kaschmir-Konflikt mit der Atommacht Indien ist er nach Ansicht von Beobachtern tatsächlich bemüht, die Islamisten am Grenzübertritt zu hindern. Doch kurz vor der Wahl hat der Präsident nochmal seine Muskeln spielen lassen. Am Dienstag testete Pakistan zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen eine Mittelstreckenrakete, die auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden kann.

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