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Politik: „Demokratien müssen Gesetze achten“

Der Mailänder Staatsanwalt Spataro ermittelt gegen 22 US-Agenten

Herr Spataro, Sie haben 22 internationale Haftbefehle gegen CIA-Agenten ausgestellt, die den Ägypter Abu Omar mitten in Mailand am helllichten Tag entführt haben sollen. Worauf stützen Sie sich?

Unsere Ermittlungen stehen kurz vor dem Abschluss. Der Ausgangspunkt der Ermittlungen war die Überwachung einiger Mobiltelefone, die sich an jenem Tag am Ort der Entführung befanden. Wichtig dabei war auch ein Anruf Abu Omars selbst – nach seiner Inhaftierung in Ägypten kurzzeitig auf freiem Fuß – an die Ehefrau eines anderen Ägypters in Italien, in dem er seine Entführung erzählt.

Was genau geschah an jenem 17.2.2003?

Abu Omar, ein als politischer Flüchtling anerkannter und geschützter ägyptischer Bürger, wurde auf dem Weg von seiner Wohnung zur Moschee aufgegriffen, gewaltsam von einigen Männern auf einen Lieferwagen verfrachtet und verschleppt. Bis zu seinem Anruf aus Ägypten hatten wir keine Nachricht über ihn.

Was werfen Sie den CIA-Agenten vor?

Die Anklage lautet auf Entführung. Weil sie durch so viele Personen begangen wurde, wird das als äußerst schweres Verbrechen mit mehr als zehn Jahren Haft geahndet. Zum Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger kommt aber noch die Verletzung der Souveränität Italiens.

Was liegt gegen Abu Omar vor?

Gegen ihn besteht ein getrennter Haftbefehl wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung. Seine Entführung hat unsere Ermittlungsarbeit im Kampf gegen den Terrorismus ernsthaft geschädigt. Wir hätten durch seine Verhaftung wichtige Ergebnisse erreicht. Unsere Ermittlungen sind durch seine illegale Entführung verhindert worden.

Waren diese Praktiken in Europa üblich?

Diese Frage müsste man denjenigen stellen, die sich derartige Aktionen ausgedacht haben. Es gab dazu Erklärungen von höchsten Stellen der Regierung Bush. Der Mailänder Fall unterscheidet sich jedoch von anderen Fällen wie in Schweden, in Kanada oder die Entführung eines Deutschen auf dem Balkan. Dort haben die örtlichen Behörden mit den US-Stellen zusammengearbeitet. In Mailand handelt es sich um eine autonome, gewalttätige Form in diesem mit illegalen Mitteln geführten Kampf gegen den Terrorismus.

Könnten italienische Richter diese US-Verdächtigen je verurteilen? Wird man sie ausliefern?

Zwischen Italien und den USA gibt es zwei bilaterale Verträge, die die gegenseitige Rechtshilfe und die Auslieferung betreffen. In der Zwischenzeit hat die Staatsanwaltschaft Mailand auch einen europäischen Haftbefehl gegen diese Personen erlassen. Die 22 sind in den 25 EU-Ländern zur Verhaftung ausgeschrieben. Wenn sie in Europa verhaftet würden, würden sie nach Mailand überstellt.

Wohin werden die von der CIA entführten Personen gebracht?

Ich kann nur zu Abu Omar antworten. Er wurde nach Ägypten verschleppt. In einem kürzlich dort veröffentlichten Interview bestätigt das zuständige Ministerium, dass sich Abu Omar aus Sicherheitsgründen in Ägypten im Gefängnis befindet.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen der USA und die Aktivitäten der CIA?

Ich arbeite als Staatsanwalt seit 30 Jahren im Kampf gegen Terrorismus und sage mit Stolz, dass wir ihn in Italien trotz hunderter Toter mit den Waffen der Justiz und des Rechtsstaates bekämpft und besiegt haben. Ich glaube, im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus haben die europäischen Demokratien die Verpflichtung, ihn mit größter Entschlossenheit zu führen. Doch sie müssen als Demokratien das Gesetz einhalten. Es ist ein schwer wiegendes Risiko in den ständig wachsenden islamischen Gemeinden in Europa, dass Aktionen wie die Entführung Abu Omars Misstrauen in die Stärke der europäischen Demokratien produzieren, dass sie sogar eine Annäherung von Mitläufern und Sympathisanten an die terroristische Idee fördern können.

Die Fragen stellte Ruth Reimertshofer

Armando Spataro ist Italiens Chefankläger in Terrorismusverfahren. Jetzt geht er auch gegen 22 CIA- Leute vor – Europas bisher konkretester Fall in der Affäre um CIA-Flüge und Geheimgefängnisse.

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