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Politik: Demokratischer Darwinismus

Die Kür der US-Präsidentschaftsbewerber hat begonnen – der Start der Kandidaten ist entscheidend für ihren späteren Erfolg

Von Malte Lehming,

des Moines (Iowa)

Die Bürger Iowas haben gewählt. An sich steht der Sieger fest. Aber noch ist kein einziger jener 56 Delegierten ernannt, die der ländliche, dünn besiedelte US-Bundesstaat im Sommer zum Nominierungsparteitag der Demokraten in Boston entsendet. Was also ist am Montag geschehen? In Iowa fanden keine Vorwahlen (primaries), sondern so genannte Parteiversammlungen (caucuses) statt. Auf etwa 2000 Parteiversammlungen in 99 Wahlbezirken traf sich am Abend rund ein Viertel aller 500 000 registrierten Wähler der Demokraten.

Es ist ein offenes, sehr basisdemokratisches Verfahren. Jeder sieht, wen der Nachbar unterstützt. Nach einigen Eröffnungsreden fordert der Leiter die Wähler auf, sich je nach Präferenz in die Ecken des Raumes zu begeben. Dann wird gezählt oder durch Handzeichen abgestimmt. Das Ergebnis wird nach einem speziellen Schlüssel in die jeweilige Zahl der Delegierten umgerechnet. Diese Delegierten treffen sich in einigen Wochen, um auf der nächsthöheren Ebene – Wahllokal, Wahlbezirk, Wahlkreis – die neue, nun reduzierte Zahl der Delegierten zu bestimmen. So geht es weiter. Am Ende der Pyramide stehen jene 45 Delegierten, die mit einem imperativen Mandat (pledged) zum Nominierungsparteitag geschickt werden. Weitere elf entsendet die Partei. Sie sind in ihrer Abstimmung frei (unpledged).

Immer mehr US-Bundesstaaten bevorzugen statt einer Vorwahl das System solcher Parteiversammlungen. Vor vier Jahren gab es „caucuses“ nur in elf der 50 Bundesstaaten. Diesmal sind es mit New Mexico, Colorado und Maine schon 14. In vier weiteren wird über einen Wechsel des Systems nachgedacht. Der Vorteil für den Bundesstaat: Im Unterschied zu den „primaries“ werden die „caucuses“ von den Parteien finanziert und nicht aus dem Säckel der Legislative. Der Vorteil für die Partei: Sie allein ist die Herrin des Verfahrens und kann etwa den Termin der Versammlungen festlegen.

Die Vorwahlen der Demokraten ziehen sich bis zum 8. Juni hin. An diesem Tag entscheiden die Bewohner von Montana und New Jersey. Nach Iowa und New Hampshire (27. Januar, 22 Delegierte mit imperativem Mandat) ist das nächste Großereignis der Mini-Super-Tuesday am 3. Februar, wenn in sieben Bundesstaaten gleichzeitig abgestimmt wird (269 Delegierte mit imperativem Mandat). Spätestens am 2. März, dem Super-Tuesday, steht das endgültige Ergebnis meist fest. An diesem Tag entscheiden die Bewohner von zehn Bundesstaaten und ernennen 1151 Delegierte mit imperativem Mandat – fast ein Drittel der Gesamtzahl von 3520. Hinzu kommen am Ende 797 ungebundene Delegierte. Gewinner ist der, der mindestens 2159 Delegierte hinter sich hat.

Obwohl aus Iowa und New Hampshire nur rund zwei Prozent der Delegierten entsandt werden, ist das Interesse besonders groß. Das hat mit Psychologie und Geld zu tun. Wer in Iowa und New Hampshire gut abschneidet, hat das „momentum“ auf seiner Seite, die Schwungkraft. Er wird zum Held der Medien und rückt damit ins Visier der Parteispender – und Wahlkämpfe in Amerika sind teuer.

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