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Demonstration in Washington: Kampf um das Lincoln Memorial

US-Rechte und Linke rangeln um Martin Luther Kings Erbe. Am Samstag kommt es in Washington zum Kräftemessen zwischen der "Tea Party" und der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.

Washington - Zwei Monate vor der Kongresswahl konkurrieren Amerikas Rechte und Linke an einem hochsymbolischen Ort um den Anspruch auf die Nationalgeschichte. Ausgerechnet am Lincoln Memorial, wo am 28. August 1963 der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a dream“ über ein Amerika ohne Rassenschranken hielt, und das Schauplatz mächtiger Anti-Kriegs-Proteste war, war 2010 die Rechte schneller.

Der konservative Talkshow-Moderator Glenn Beck hat für diesen Sonnabend eine Demonstration vor dem marmornen Tempel am Westende der National Mall angemeldet, eines breiten Grünstreifens im Herzen der Hauptstadt. Unter dem Titel „Restoring Honor“ will man die US-Truppen unterstützen und „Amerikas Ehre wiederherstellen“.

Die schwarze Bürgerrechtsbewegung von heute muss ihm den Platz überlassen. Al Sharpton, einer ihrer Anführer, leitet eine Gegendemonstration von der Dunbar High School, dem ersten Gymnasium für Schwarze in der Hauptstadt, zu dem Ort unweit des Lincoln Memorials, wo eine Gedenkstätte für Martin Luther King geplant ist. Beck rechnet mit bis zu 100 000 Teilnehmern bei seiner Kundgebung. Seit Tagen wirbt er in seinen TV- und Radiosendungen dafür. Hauptrednerin ist Sarah Palin. Sharpton erwartet wenige tausend Teilnehmer bei der Gegenveranstaltung. Beck behauptet, er habe nicht im Blick gehabt, dass dies der Tag der berühmten Rede sei. Im Rückblick betrachte er das als „göttliche Fügung“. Abraham Lincoln „gehört nicht allein den Weißen. Martin Luther King gehört nicht allein den Schwarzen“, sagt er. Die US- Medien nehmen ihm diese unschuldige Behauptung nicht ab, berichten aber zum Großteil mit wohlwollendem Augenzwinkern wie über ein freches Husarenstück.

Becks Motto „Restoring Honor“ klingt unangreifbar und spielt zugleich mit den Emotionen der rechten „Tea Party“-Anhänger. Viele meinen, es sei eine Schande, dass die USA einen schwarzen Präsidenten haben. Die Republikanische Partei sagt, sie habe mit der Veranstaltung nichts zu tun. Sie fürchtet, das offensive Auftreten von Beck könne Wähler der Mitte abschrecken. Christoph von Marschall

Paris - Mit einem Fortsetzungsroman „Der Prozess gegen Jacques Chirac“ unterhielt die Zeitung „Le Monde“ während der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit ihre Leser. Ein anonymer Autor malte den Strafprozess aus, der dem früheren Staatspräsidenten Frankreichs Ende des Jahres bevorsteht. Neben neun weiteren Angeklagten soll er sich in der Affäre um die Beschäftigung von Angestellten verantworten, die zu seiner Zeit als Pariser Bürgermeister für seine Partei, die gaullistische Sammlungsbewegung RPR, auf Kosten der Stadt rekrutiert worden waren. Auf Veruntreuung und Vertrauensmissbrauch lautet die Anklage.

Jetzt hat die Wirklichkeit der Fiktion ein überraschendes Kapitel hinzugefügt, das den 77-jährigen Alt-Präsidenten erleichtern dürfte: Die Regierungspartei UMP als Nachfolgerin der RPR will der Stadt Paris 1,65 Millionen Euro erstatten – drei Viertel des Schadens von insgesamt 2,2 Millionen Euro, der dem Steuerzahler durch die fiktiven Beschäftigungsverhältnisse entstand. Den Rest von 500 000 Euro zahlt Chirac selbst, im Gegenzug nimmt die Stadt die Zivilklage gegen ihn zurück.

Zur Vorbereitung auf die Präsidentenwahl 1995 hatte Chirac damals als Parteichef und Pariser Bürgermeister 21 Mitarbeiter in seinem Stab beschäftigt, deren Gehälter von der Stadt bezahlt wurden, das Rathaus aber nie betraten. Seine persönliche Verantwortung ergab sich für die Ermittler unter anderem aus einer handschriftlichen Notiz, in der er sich für die Beförderung einer der Scheinbeschäftigten einsetzte. In einer ähnlichen Affäre um fiktive Jobs von Parteimitarbeitern war 2004 der frühere Premierminister Alain Juppé, seinerzeit RPR-Generalsekretär und beigeordneter Bürgermeister, zu 14 Monaten Haft auf Bewährung und zum Verlust aller Wahlämter für ein Jahr verurteilt worden. Der Stadt Paris zahlte die UMP damals 900 000 Euro.

Chirac war bis 2007 durch die Immunität seines Amtes gegen gerichtliche Verfolgung geschützt, muss sich seitdem aber wegen Taten außerhalb des Präsidentenmandats verantworten. Die Vorstellung, einen früheren Staatspräsidenten wie einen ordinären Betrüger vor Gericht zu sehen, schien dem derzeitigen Amtsinhaber indes keine Ruhe zu lassen: Präsident Nicolas Sarkozy soll den Deal mit der Stadt Paris eingefädelt haben. Die Führung der UMP fühlt sich überfahren: Sie sieht nicht ein, warum sie für Verfehlungen Chiracs zahlen soll. hhb

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