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Demonstration: Mit dem Schlagstock gegen Kreml-Kritiker

Bei einer Kundgebung der Opposition in der russischen Stadt St. Petersburg ist die Polizei erneut gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Sogar ältere Menschen sollen niedergeprügelt worden sein.

Moskau - Mit massiver Gewalt hat die russische Polizei in Moskau und St. Petersburg Proteste gegen die Politik von Präsident Wladimir Putin aufgelöst. Insgesamt 350 Demonstranten wurden am Wochenende nach offiziellen Angaben vorübergehend festgenommen, darunter der Oppositionspolitiker und frühere Schachweltmeister Garri Kasparow. Korrespondenten der deutschen Fernsehsender ARD und ZDF wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Hundertschaften der Sonderpolizei Omon prügelten mit Schlagstöcken auch auf Kinder und alte Menschen ein, wie Augenzeugen berichteten. Regierungskritiker sprachen von einer "schwer paranoiden" Reaktion des Kremls vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen im kommenden Winter.

In beiden Städten hatten die Behörden den so genannten Marsch der Dissidenten im Vorfeld untersagt und ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten angedroht. Einige tausend Moskauer widersetzten sich am Samstag dem Verbot und zogen vom abgesperrten Puschkin-Platz durch die Innenstadt zum zwei Kilometer entfernten Turgenjew-Platz. Es kam zu Festnahmen und Schlagstock-Attacken. "Sie haben auch auf Großmütter und andere Rentner eingeschlagen", sagte der liberale Parlamentsabgeordnete Wladimir Ryschkow in Moskau. Auch mehrere Journalisten wurden verletzt.

Von offizieller Seite wurde das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten als "angemessen" bezeichnet. Der Staat habe die Pflicht, Rechtsverstöße notfalls mit Gewalt zu unterbinden, hieß es. Sowohl in Moskau wie auch in St. Petersburg war nur eine zeitlich begrenzte Kundgebung auf einem Platz erlaubt. In Moskau veranstalteten kremlnahe Jugendorganisationen zeitgleich über das Zentrum verteilt Gegendemonstrationen.

Menschenrechtler schockiert über Polizeigewalt

Bereits in den vergangenen Wochen hatte das Oppositionsbündnis "Das andere Russland" tausende Menschen zu Protestkundgebungen auf die Straßen gebracht. Oppositionspolitiker und Menschenrechtler zeigten sich schockiert über die Polizeigewalt am Wochenende. "Der Machtapparat handelt schwer paranoid", kritisierte Putins früherer Wirtschaftsberater Andrej Illarionow den Einsatz von offiziell 9000 Polizisten in Moskau. "Russland hat das Niveau von Simbabwe und Weißrussland erreicht, was das Verhältnis zwischen Staat und der Gesellschaft angeht", sagte Kasparow, der über Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten wurde.

Als einige hundert Anhänger Kasparows vor einem Polizeigebäude dessen Freilassung forderten, prügelten Sicherheitskräfte auf die Menge ein. "Die Sicherheitskräfte griffen sich einzelne Demonstranten heraus und schlugen mit brutaler Gewalt auf sie ein", berichtete eine Augenzeugin. "Nieder mit dem Polizeistaat" und "Wir wollen ein anderes Russland", riefen die Demonstranten. Kasparow wurde am Samstagabend von einem Gericht zur Zahlung von 1000 Rubel Strafe (knapp 30 Euro) verurteilt.

Die Opposition wirft Putin eine zunehmende Einschränkung der Menschenrechte vor der Parlamentswahl im Dezember 2007 und der Präsidentenwahl im März 2008 vor. In Putins Heimatstadt St. Petersburg kam es am Sonntag nach dem Abschluss der genehmigten Kundgebung zu Auseinandersetzungen, als die bis zu 1000 Demonstranten durch einen engen Polizei-Kordon gezwungen wurden. Die Regierungsgegner riefen in Sprechchören "Russland ohne Putin". Die Polizei schlug mehrere Oppositionsanhänger nieder und nahm etwa 100 Personen fest. Die Agentur Interfax meldete, Demonstranten hätten Steine und Flaschen auf die Polizisten geworfen, was aber von anderen Journalisten nicht bestätigt wurde. (tso/dpa)

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