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Eine junge Demonstrantin beim "March for our Lives" in Washington D.C.

© AFP/Emily KASK

Demonstration nach Amoklauf: Wie die US-Schülerproteste Trump schaden könnten

Die mediale Wirkung der Schülerproteste gegen das US-Waffenrecht ist gewaltig – und bei den Kongresswahlen vielleicht entscheidend. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Nach jedem politisch umstrittenen Massenprotest beginnt der Streit um die Statistik - die Sympathisanten übertreiben die Zahl der Teilnehmer, die Gegner drücken sie. So auch beim Massenprotest gegen die Schulschiessereien und das laxe Waffenrecht, organisiert von Schülern der High School in Parkland, Florida, die im Februar Schauplatz eines Massakers mit 17 Toten war.

Nicht Größe ist entscheidend, sondern strategische Wählergruppen

Doch die Größe der Demonstration war beim "Marsch für unsere Leben" nicht das Entscheidende. Die mediale Wirkung und ihre politischen Konsequenzen dürften sich über kurz oder lang als weit bedeutender erweisen. Die endgültige Antwort wird der Ausgang der Kongresswahl geben - insbesondere die Frage, ob mehr Frauen, die meist auch Mütter sind, den Republikanern den Rücken kehren und für die Demokraten stimmen.

Polizei und die Organisatoren haben bisher keine Zahlen über die Größe des "March for Our Lives" herausgegeben. Wer am Samstag auf der Pennsylvania Avenue in Washington war, wird wohl kaum ernsthaft den Eindruck gewonnen haben, dass dort die erwarteten 500.000 Menschen demonstrierten. Woher manche deutsche Medien, zum Beispiel "Spiegel Online", die Behauptung nehmen, da hätten gar 800.000 Menschen protestiert, ist rätselhaft. Die US-Zeitungen, auf die sich sonst gerne berufen, "Washington Post" und "New York Times", waren da wesentlich zurückhaltender. Unter Berufung auf eine Expertengruppe der Manchester University of England, die sich auf das Schätzen der Größe von Massenprotesten spezialisiert, nannte die "New York Times" eine Teilnehmerzahl von 180.000.

Auch wenn die Organisatoren womöglich weniger Menschen auf die Straßen brachten als erhofft, war ihr Protest in der politischen Wirkung wahrscheinlich sogar erfolgreicher als erwartet. Dass Minderjährige die politische Verantwortung in die eigenen Hände nehmen, weil sie um ihr Leben fürchten und sich von den verantwortlichen Erwachsenen nicht geschützt fühlen, ist eine kraftvolle Botschaft.

Die Jugendlichen überzeugten aber auch mit ihrer phantasievollen - und zugleich mediengerechten - Inszenierung. Sie beherrschen die Techniken des öffentlichen Auftritts, sind mediengeschult, werden nicht nervös im Kameralicht.

Schweigen können - für 6 Minuten, 20 Sekunden

Die von der Körpergröße nicht gerade eindrucksvolle Emma Gonzales tat auf der Bühne, was niemand erwartet hatte: Sie stand schweigend für quälend lange 6 Minuten und 20 Sekunden - exakt die Länge der Schiessrei an ihrer Schule in Parkland - und machte erfahrbar, wie sich die Zeit der Hilflosigkeit in Todesangst schmerzvoll dehnt. Die Rechten im Land versuchen, ein "Posterchild" wie Emma Gonzales zu diskreditieren.

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Menschen und Medien, die in den Regionen Amerikas leben, wo das Dogma des uneingeschränkten Waffenbesitzes nicht die Oberhand, sind beeindruckt. An den Gesetzen ändern wird sich zunächst wenig (oder gar nichts), allenfalls in einzelnen Bundesstaaten.

Der Schülerprotest hat einen Nerv getroffen - vor allem, weil Minderjährige die Gesichter der Bewegung sind und nicht Erwachsene, die immer wieder an dem Beharrungsvermögen der Waffenlobby gescheitert sind. Die entscheidende Frage ist die nach den Auswirkungen auf die Kongresswahl im November. Werden insbesondere Frauen und Mütter aus den wahlentscheidenden Suburbs der Großstädte ihr Wahlverhalten ändern?

Wem geben die Frauen aus den Suburbs im November ihren Stimmen?

Die Motive, wem Menschen bei Wahlen ihre Stimme geben, sind vielfältig. Oft dominiert das Portemonnaie - oder besser das persönliche Verständnis, was im eigenen ökonomischen Interesse liegt. Ein einzelne Sachfrage wie hier das Waffenrecht ist selten der alles entscheidende Faktor. Aber er kann zu einem Mix von Motiven beitragen. Frauen und Mütter fühlen sich angesprochen von der Schülerbewegung. Sie stehen auf ganz andere Weise zugleich unter dem Eindruck, wie Trump gegen Frauen vorgeht, die ihm sexuelles Raubtierverhalten vorwerfen. Wenn mehrere solcher Motive zusammenkommen, kann das Einfluss auf das Wahlverhalten vieler Frauen haben.

Die Republikaner spüren, wie gefährlich das für sie werden kann. Darin liegt die Chance dieser Protestbewegung. Nicht in der Frage, ob sie die erhofften 500.000 Menschen an einem Samstag in Washington - und eine Million USA-weit - auf die Straße gebracht hat.

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