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Polizisten nehmen die Oppositionspolitikerin Ljubow Sobol fest.

© Tatyana Makeyeva/REUTERS

Update

Demonstrationen für freie Wahlen: Hunderte Festnahmen bei Protesten in Moskau

In Moskau protestieren Hunderte gegen den Wahlausschluss von Oppositionspolitikern. Viele werden abgeführt – auch Ljubow Sobol aus dem Team von Alexej Nawalny.

Fünf Wochen vor den umstrittenen Kommunalwahlen in Moskau erhöhen die Sicherheitsbehörden den Druck auf die Opposition: Bei nicht genehmigten Protesten für freie Wahlen nahm die Polizei am Samstag nach Angaben des Innenministeriums etwa 600 Menschen vorübergehend fest. Die Nichtregierungsorganisation OWD-Info nannte sogar eine noch deutlich höhere Zahl: 828 Menschen seien abgeführt worden, darunter mehrere akkreditierte Journalisten.

Fast zeitgleich teilte die russische Justiz mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche gegen die Anti-Korruptions-Stiftung des derzeit inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny eingeleitet hat.

Trotz eines Demonstrationsverbots versammelten sich nach Polizeiangaben 1500 Menschen im Zentrum der russischen Hauptstadt, um gegen den Ausschluss mehrerer Oppositionskandidaten von den im September anstehenden Kommunalwahlen zu protestieren. Nach Einschätzung von Reportern der Nachrichtenagentur AFP vor Ort war die Zahl jedoch deutlich höher, ließ sich aber schwer schätzen, weil sich die Kundgebung auf mehrere Viertel erstreckte. AFP-Reporter beobachteten, wie die Polizei willkürlich Demonstranten herausgriff.

Unter den Festgenommenen befand sich auch die Nawalny-Vertraute und von den Behörden abgelehnte Oppositionskandidatin Ljubow Sobol. "Warum nehmen Sie mich fest?", rief Sobol, während sie von Polizisten aus einem Taxi gezogen wurde. Sie soll sich auf dem Weg zu der Demonstration befunden haben. Die Rechtsanwältin ist für Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung tätig. Aus Protest gegen ihren Ausschluss von der Kommunalwahl am 8. September begann Sobol vor 21 Tagen einen Hungerstreik; bei der Festnahme war sie erkennbar geschwächt.

OWD-Info zufolge wurden während der Festnahmen mehrere Menschen verletzt. Die Polizei baute Metallbarrieren auf, eine Metrostation wurde zwischenzeitlich geschlossen. Das mobile Internet funktionierte mehrere Stunden lang nicht. Auf Bildern von der Kundgebung waren vermummte Polizisten zu sehen, die mit Knüppeln auf Demonstranten einschlugen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte einen "unnötigen und exzessiven Einsatz von Gewalt".

Die Polizei nimmt Kritiker fest.
Die Polizei nimmt Kritiker fest.

© Alexander NEMENOV / AFP

Zahlreiche Oppositionskandidaten, die wegen angeblicher formaler Mängel von der Kommunalwahl im September ausgeschlossen wurden, befinden sich derzeit im polizeilichen Gewahrsam. Bei einem Massenprotest der Opposition am Samstag vergangener Woche hatte die Polizei fast 1400 Demonstranten festgenommen.

Grünen-Politiker: „Kurs der Einschüchterung“

Kurz zuvor war der Kreml-Kritiker Nawalny festgenommen worden. Er sitzt derzeit eine 30-tägige Haftstrafe wegen Regelverstößen bei öffentlichen Versammlungen ab. Nach den Protesten am vergangenen Wochenende leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen "Massenunruhen" und "Gewalt gegen Polizisten" ein.

Der Grünen-Politiker Manuel Sarrazin warf dem Kreml einen "Kurs der Einschüchterung" vor. Das Vorgehen gegen die Proteste zeige "vor allem, dass das System Putin offensichtlich selber Zweifel an der eigenen Legitimität in der Bevölkerung hat", erklärte der Sprecher für Osteuropa-Politik der Grünen-Bundestagsfraktion.

Justiz ermittelt gegen Nawalny wegen Geldwäsche

Die Sicherheitsbehörden hatten die Bevölkerung im Vorfeld vor einer Teilnahme an den Protesten gewarnt. "Wir wiederholen, dass diese Veranstaltung illegal ist", betonte die Polizei auf ihrer Website. Die Staatsanwaltschaft warnte, die Polizei werde "alle notwendigen Maßnahmen" gegen Demonstranten ergreifen.

Derweil gab die russische Justiz Geldwäsche-Ermittlungen gegen Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung bekannt. Es gehe um illegal beschaffte Geldsummen in Höhe von knapp einer Milliarde Rubel (13,8 Millionen Euro), teilten die Ermittler mit. Vor wenigen Tagen hatte die Stiftung einen Bericht veröffentlicht, wonach die stellvertretende Bürgermeisterin von Moskau, Natalia Sergunina, Immobilien in städtischem Eigentum zu Tiefstpreisen an Familienmitglieder verkauft haben soll. (AFP/dpa)

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