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Politik: „Den Friedensprozess muss man erzwingen“

Israels früherer Botschafter Avi Primor über den Abbruch der Nahost-Gespräche, die Rolle der USA und die Probleme von Abbas

Ist der Friedensprozess im Nahen Osten nach dem jüngsten Selbstmordanschlag noch zu retten?

Der Friedensprozess ist unvermeidlich, weil es keine Alternative gibt. Weder wir noch die Palästinenser werden unsere Ziele mit Gewalt erreichen. Man kann den anderen nicht besiegen. Es gibt nur einen Ausweg: den Kompromiss. Der Friedensprozess steckt zwar in größten Schwierigkeiten. Er wird aber wieder in Gang kommen.

Welche Auswirkungen hat der neue Anschlag auf den Fahrplan zum Frieden?

Der Fahrplan ist nur der Rahmen, der dabei helfen soll, einen Friedensvertrag auszuhandeln. Ein Anschlag zerstört die Versuche, Misstrauen abzubauen. Aber es gab sowieso nicht viel Vertrauen auf beiden Seiten. Letzten Endes hängt es von den Amerikanern ab, ob sie einen Friedensprozess erzwingen. Unklar ist, ob sie das wollen.

Die Amerikaner sollen sich also stärker einmischen?

Ja. Aber man kann die Kontrahenten nicht zu einem Friedensprozess überreden. Dafür ist das Ganze zu heikel. Den Friedensprozess muss man erzwingen. Die Amerikaner haben dazu alle Mittel zur Verfügung. Sollten sie das nicht tun, wird der Friedensprozess am Ende von den beiden Bevölkerungen erzwungen werden. Aber vorerst wartet die Bevölkerung auf die Amerikaner.

Was sollten die Amerikaner konkret tun?

Sie können eine Friedenskonferenz einberufen. Beide Seiten sind von den Amerikanern so abhängig wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Es kommt gar nicht in Frage, den Amerikanern zu widersprechen. Bei einer Friedenskonferenz darf es aber nicht wie bisher nur um vorübergehende Maßnahmen gehen. Die Palästinenser müssen sagen, wie sie die extremistischen Organisationen bekämpfen wollen. Und Israel muss konkret über die Rückgabe von Gebieten, den Abbau von Siedlungen und über Grenzen sprechen.

Nun hat der palästinensische Premier Mahmud Abbas den Kontakt zu Hamas und Dschihad abgebrochen. Außerdem willl er gegen die Drahtzieher des Anschlags vorgehen. Ist das aus israelischer Sicht genug?

Nein. Das bleibt alles ganz oberflächlich. Abbas muss die Infrastruktur der Terrororganisationen zerstören. Das kann er nur mit Gewalt tun. Er wird die Fundamentalisten nicht überreden können. Er hat versucht, sie zu einem vorübergehenden Waffenstillstand zu bewegen. Das haben sie auch akzeptiert. Aber wir sehen ja jetzt, wie der Waffenstillstand aussieht.

Kann Abbas sich gegen die Extremisten durchsetzen?

Wenn er das nicht tut, wird er nicht regieren können. Aber dafür muss er mehr Unterstützung von der Bevölkerung bekommen. Sie steht ihm nicht feindselig gegenüber, aber sie wartet ab, was er konkret für sie tun kann. Die Palästinenser hoffen auf eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Sie leben heute zum Teil in schrecklichem Elend. Das ist wiederum von den Israelis abhängig: Es geht um weniger Ausgangssperren und Belagerungen, weniger Kontrollen auf den Straßen, mehr Arbeitsgenehmigungen in Israel und die Freilassung von weiteren Gefangenen.

Israel hat in einer ersten Reaktion die Gespräche mit der Autonomiebehörde eingestellt. Ist das nicht genau das, was die Terroristen erreichen wollen: dass der Dialog aufhört?

Die Einstellung der Gespräche ist eine emotionale Sache. Eine Regierung muss die Gefühle der Menschen in Betracht ziehen. Wenn die Bevölkerung derart empört ist wie nach diesem Anschlag, dann kann sie nicht verstehen, dass es Gespräche mit den Palästinensern gibt. Ich gehe davon aus, dass die Gespräche in ein bis zwei Wochen wieder aufgenommen werden, wenn es keinen weiteren Terroranschlag gibt.

Israel hat ja zunächst auch auf einen massiven Vergeltungsschlag verzichtet.

Die Bevölkerung erwartet so etwas eigentlich. Aber die Amerikaner lassen eine Ver geltung im Moment nicht zu.

Das Gespräch führte Claudia von Salzen.

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