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Politik: Den Macher entmachten

Von Gerd Appenzeller Hoppla! Wo sind wir denn nun?

Von Gerd Appenzeller

Hoppla! Wo sind wir denn nun? Im Gelobten Land oder auf der Flucht vor den biblischen Plagen? Je nachdem, ob man die erste Seite des Wahlprogramms der SPD oder die des gemeinsamen Programms von CDU und CSU liest, sieht das Szenario begeisternd oder tief deprimierend aus. Die Sozialdemokraten verkündeten Mitte April im Rückblick auf die zu Ende gehende Legislaturperiode: „Diese vier Jahre haben sich gelohnt für unser Land!“ An der entsprechenden Stelle der Agenda der Union, gestern präsentiert, liest sich das so: „Nach vier verlorenen Jahren können wir den Kurs für unser Land gemeinsam neu setzen.“

Unübersehbar ist, dass die Vorzeichen sich zwischen 1998 und 2002 verkehrt haben. Die Opposition attackiert heute die Rot-Grüne Regierung fast mit den gleichen Vorwürfen, die seinerzeit Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine gegen das Schwarz-Gelbe Bündnis vorbrachten: Verbraucht, unbeweglich, fortschrittsfeindlich. Wo Schröder damals seine politische Perspektive mit dem Satz umschrieb: „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen“, hört sich das aus dem Munde Edmund Stoibers heute so an: „Wir wollen umfangreich reformieren, aber nicht radikal.“

In einem ganz entscheidenen Punkt sind die Situationen aber nicht vergleichbar. Vor vier Jahren hat eine Mehrheit der Bürger Helmut Kohl als Bundeskanzler einfach über gehabt, man wollte ihn in dieser Rolle nicht mehr sehen. Gerhard Schröders persönliches Image ist hingegen nach vier Jahren absolut noch nicht verbraucht. Zählten nicht Programme, sondern Personen, hätte Schröder am 22. September die Nase vorn. Dass die Sozialdemokraten ihr Wahlprogramm deshalb ganz auf den Kanzler abgestellt haben, ist wahltaktisch schlüssig. Ob die Wählerinnen und Wähler das Rechenspiel von Franz Müntefering mitmachen, ist dennoch zweifelhaft.

In fast jeder Meinungsumfrage verweigern sie sich der Zuspitzung auf das Ja oder Nein zu einer Person. Um die Sache gehe es, sagen deutlich mehr die Hälfte der Befragten. Und da sieht es - Stand 6. Mai – besser für CDU und CSU aus. Denn die beiden zumindest vordergründig so einträchtig taktierenden Schwestern stellen die Themen in den Mittelpunkt, bei denen Rot-Grün im öffentlichen Ansehen besonders schlecht dasteht: in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Die hätte die Union bereits im ersten Regierungsjahr ganz oben auf der Prioritätenliste. Da passt es nicht schlecht, dass auf diesen beiden Feldern die Wählerinnen und Wähler Stoiber für kompetenter als Schröder halten.

Natürlich sieht die SPD, wie geschickt das Adenauer-Haus diese Themen gemischt hat. Nimmt man die Familien- und die Gesundheitspolitik noch hinzu, wird die Zielrichtung klar. Es geht der Union, natürlich, um jene Mitte der Gesellschaft, in der sich die SPD bereits mit Ausschließlichkeitsanspruch festgesetzt haben möchte. Franz Müntefering benutzt, auch dies vorhersehbar, gegen Kandidaten und Programm ein Vokabular, das wir schon aus dem 98-er Wahlkampf kennen. Damals richtete es sich jedoch gegen eine Regierungs-, nicht gegen eine Oppositionspartei. Um Kälte und Spaltung sei es CDU und CSU zu tun, warnt er, um Umverteilung von unten nach oben, um Zwei-Klassen-Medizin und Demontage von Arbeitnehmerrechten.

Ein Vorwurf freilich ist neu in diesem Wahlkampf. Die Union habe gestern ein Programm des Miesmachens vorgelegt, interpretiert die SPD. Das muss sie so sehen, denn hier wird es wirklich gefährlich für die Sozialdemokraten. Stoiber, Merkel und Merz werfen der Politik, oder, aus ihrer Sicht: Nichtpolitik des Bundeskanzlers vor, sie habe Deutschland international in eine Schlusslichtrolle gedrängt. Weil die SPD so reformfeige sei, trage die Bundesrepublik nun bei Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa die Rote Laterne. Das aber beleidige den Stolz der Menschen, ihren Willen zur Leistung.

Die deutschen Konjunkturdaten sind in der Tat schlecht. Wenn die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich zu dem Schluss kämen, es läge an Rot-Grün, dass es nicht besser läuft, wenn sie die Plagen von Arbeitslosigkeit und Ansehensverlust wirklich der Regierung anlasten, dann hat die Union das richtige Programm und den richtigen Kandidaten.

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