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Politik: Den Umbruch in der DDR vorangetrieben - Gründer des Neuen Forums geehrt

Die deutsche Nationalstiftung hat am Freitag die Gründer der DDR-Oppositionsgruppe "Neues Forum" mit dem Nationalpreis ausgezeichnet. In einem Festakt in der Berliner Gethsemanekirche wurden die 30 Unterzeichner des Gründungspapiers "Aufbruch 89" geehrt, die im September 1989 zur Umgestaltung der ostdeutschen Gesellschaft aufgerufen und damit den Umbruch in der DDR maßgeblich vorangetrieben hatten.

Die deutsche Nationalstiftung hat am Freitag die Gründer der DDR-Oppositionsgruppe "Neues Forum" mit dem Nationalpreis ausgezeichnet. In einem Festakt in der Berliner Gethsemanekirche wurden die 30 Unterzeichner des Gründungspapiers "Aufbruch 89" geehrt, die im September 1989 zur Umgestaltung der ostdeutschen Gesellschaft aufgerufen und damit den Umbruch in der DDR maßgeblich vorangetrieben hatten. Mit dem Förderpreis der Nationalstiftung wurde die Berliner Robert-Havemann-Gesellschaft gewürdigt, die Materialien der ostdeutschen Opposition archiviert und aufbereitet.

Der Festakt in der traditionsreichen Kirche in Prenzlauer Berg wurde vom ehemaligen Bundeskanzler, Helmut Schmidt, eröffnet. Die Festansprache hielt der Historiker Charles S. Maier über die Rolle der Bürgerbewegungen beim Verschwinden der DDR. Anschließend würdigte der Theologe Richard Schröder, sozialdemokratischer Fraktionschef in der ersten frei gewählten Volkskammer, die Preisträger in einer Laudatio.

Das "Neue Forum" wurde am 9. und 10. September in Grünheide bei Berlin ins Leben gerufen. Auf dem Grundstück von Katja Havemann, der Witwe des Regimekritikers Robert Havemann, entwarfen Dissidenten wie Jens Reich zwei Tage lang den Gründungsaufruf. In dem Papier, das in Kirchen ausgelegt wurde und über die Westmedien rasch Publizität erreichte, beklagten sie eine gestörte Kommunikation zwischen Gesellschaft und Staat. Für einen landesweiten Dialog stellte sich das "Neue Forum" als Plattform zur Verfügung - mit Kontaktadressen im ganzen Land. Darauf hatte die Bevölkerung offenbar gewartet. Innerhalb von zwei Monaten unterschrieben 200 000 Menschen den Aufruf, vor den Wohnungen der Ansprechpartner bildeten sich lange Schlangen. Vor dem Atelier von Bärbel Bohley drängelten sich täglich mehr als 100 Menschen, an einem Tag zählte die Stasi sogar 190.

"Ernsthafte Tendenzen zusammenschließenden Charakters", konstatierten die Spitzel des MfS bereits eine Woche nach der Gründung. Doch das "Neue Forum" ließ sich nicht abschrecken und meldete seine Tätigkeit am 19. September 1989 bei den Behörden an - ein bis dahin einmaliger Vorgang. Das Innenministerium stigmatisierte die Vereinigung prompt als "staatsfeindliche Plattform". Es gab zahlreiche Festnahmen und die staatliche Forderung, die Aktivitäten "unverzüglich einzustellen". Später sorgten die Aktivisten am Runden Tisch dafür, dass die Stasi aufgelöst wurde und dass die ersten freien Wahlen zur DDR-Volkskammer stattfinden konnten.

Die Bürgerbewegung, die sich im "Bündnis 90" zusammengeschlossen hatte, scheiterte bei den Wahlen jedoch mit 2,9 Prozent. Für die Gruppe "Neues Forum" folgte eine Zeit langer Querelen, ehe sie sich nach der Konstituierung als Partei im Januar 1990 ins bundesdeutsche Parteienspektrum einfügte. Den 400 verbliebenen Mitgliedern, die sich vorrangig in Sachsen und Thüringen engagierten, konnten immer weniger auf sich aufmerksam machen. Sprecher Matthias Büchner schlug vor einigen Wochen die Auflösung der Partei vor: "Wir haben unsere Aufgabe erfüllt."

Die Aktivisten der Havemann-Gesellschaft, die den Förderpreis der Nationalstiftung erhielten, haben dagegen noch viel vor. Der kleine Verein in der Berliner Schliemannstraße unterhält zwei Archive, in denen Materialien der ostdeutschen Opposition gesammelt und wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Das umfangreiche Foto-, Video- und Aktenmaterial und die Nachlässe führender Bürgerrechtler wie Robert Havemann machte den Verein zu einer wichtigen Anlaufstelle für Journalisten und Historiker.

Im vergangenen Jahr stritt sich die Havemann-Gesellschaft mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur um öffentliche Fördergelder. Der 1990 gegründete Verein wird von acht Mitarbeitern betrieben, die als Jugendliche selbst in der DDR-Opposition aktiv waren. Auf einen Bestand sind sie besonders stolz: das Archiv des "Neuen Forum".

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