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Politik: Der Ankläger wartet auf Post aus Berlin

Der Hamburger Terrorprozess hängt auch von US-Verhörprotokollen ab – aber das Kanzleramt gibt sie nicht frei

Von Frank Jansen

Hamburg. Im zweiten Hamburger Al-Qaida-Prozess verzögert sich das Plädoyer der Bundesanwaltschaft. Ursprünglich wollten die Ankläger am Donnerstag dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts vortragen, welche Strafe der Marokkaner Abdelghani Mzoudi als mutmaßlicher Komplize der Attentäter des 11. September erhalten sollte. Doch dann verkündete Bundesanwalt Walter Hemberger, das Bundeskanzleramt habe am Morgen per Fax mitgeteilt, die vor einer Woche gestellte Anfrage zu Protokollen der Vernehmung des von den Amerikanern gefangen gehaltenen führenden Al-Qaida-Mitglieds Khalid Scheich Mohammed werde noch bearbeitet.

Der im März in Pakistan festgenommene Khalid Scheich Mohammed war einer der Chefplaner des 11. September. Er soll umfassend über die Vorbereitung des Terrorangriffs ausgesagt haben. Die deutschen Sicherheitsbehörden verfügen offenbar über Vernehmungsprotokolle, müssen sie aber auf Anweisung der Amerikaner unter Verschluss halten. Aus Sicherheitskreisen erfuhr der Tagesspiegel, es sei nicht zu erwarten, dass dem Gericht Protokolle zur Verfügung gestellt werden. Möglicherweise erhalte der Strafsenat nächste Woche eine Sperrerklärung.

Der Vorsitzende Richter des 3. Strafsenats, Klaus Rühle, reagierte überrascht auf die Verzögerung. Rühle hatte offenkundig erwartet, das Bundeskanzleramt werde die Sperrerklärung rasch abgeben. Das Amt hatte sich bereits geweigert, die Protokolle der Vernehmung von Ramzi Binalshibh herauszugeben. Der auch von den Amerikanern festgehaltene Binalshibh war von Hamburg aus an der Vorbereitung des 11. September beteiligt. Schon im ersten Al-Qaida-Prozess, gegen den Marokkaner Mounir al Motassadeq, hatte das Bundeskanzleramt die Protokolle der Aussagen Binalshibhs gesperrt. Im Januar 2003 teilte das Amt dem Hamburger Oberlandesgericht mit, den deutschen Sicherheitsbehörden drohten „nicht abschätzbare negative Folgen“, sollten sie sich über die strikten Auflagen der Amerikaner hinwegsetzen. Obwohl die Protokolle nicht zur Verfügung standen, verurteilte der Strafsenat im Februar Motassadeq zu 15 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in 3066 Fällen. Diese Strafe droht auch Mzoudi. Dessen Verteidiger vermuten, Khalid Scheich Mohammed und Ramzi Binalshibh hätten Mzoudi als nicht eingeweihte Randfigur der Hamburger Gruppe um den Selbstmordpiloten Mohammed Atta beschrieben und damit entlastet.

Für kommenden Freitag hat das Gericht auf Antrag der Verteidiger Mzoudis nochmals Motassadeq als Zeugen geladen. Ende 1999 soll Motassadeq bei einem Gespräch zwischen Mzoudi, den späteren Selbstmordpiloten Mohammed Atta und Marwan al Shehhi sowie weiteren Mitgliedern der Hamburger Gruppe dabei gewesen sein. Motassadeq könne bezeugen, sagte Anwalt Michael Rosenthal, dass Mzoudi „mit großem Erstaunen“ registriert habe, dass al Shehhi am nächsten Tag nach Afghanistan abreisen wollte. Mzoudi habe dann mit den Worten reagiert, „warum habt ihr mir nichts erzählt, ich bin doch nicht vom Geheimdienst“. Nach Ansicht Rosenthals zeigt auch dieses Gespräch, dass Mzoudi nichts von der Planung des 11. September wusste. Bei seinem ersten Auftritt im Mzoudi-Prozess hatte Motassadeq jedoch außer einer kurzen Erklärung die Aussage verweigert. Verhält er sich am Freitag ähnlich, könnte anschließend die Bundesanwaltschaft plädieren.

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